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Hebammen sind unersetzlich!

Im Wortlaut von Inge Höger,

Wie in jedem Jahr sind die Mitglieder der Fraktion DIE LINKE während der so genannten Parlamentarischen Sommerpause viel in ihren Wahlkreisen unterwegs. Vor Ort nehmen sie sich der Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger an, besuchen Betriebe und Vereine, engagieren sich für lokale und regionale Anliegen. Auf linksfraktion.de schreiben die Parlamentarierinnen und Parlamentarier über ihren Sommer im Wahlkreis.

Vor dem Geburtshaus in Herford: Hebamme Nicole Kaempfer (m.), Bundestagsabgeordnete Inge Höger (l.) und Wahlkreismitarbeiterin Elke Eisenburger

Von Inge Höger


Seit Jahren ist die Vergütungssituation für freiberufliche Hebammen völlig ungenügend. Die Situation verschärfte sich zum 1. Juli 2012 weiter, denn die Prämien zur Berufshaftpflichtversicherung stiegen erneut an, diesmal von 3.700 auf 4.200 Euro im Jahr. Über die schwierige Situation der ambulant tätigen Hebammen informierte ich mich vor Ort im Herforder Geburtshaus.

Allein in den letzten drei Jahren haben 25 Prozent der freiberuflichen Hebammen die Geburtshilfe aufgegeben. Das sei kein Wunder, sagte Nicole Kaempfer, leitende Hebamme im Geburtshaus. Die Einkommenssituation der Hebammen habe sich seit Jahren kaum verbessert. Dagegen hätten sich die Beiträge zur beruflichen Haftpflicht innerhalb von zehn Jahren nahezu verachtfacht! Hebammen bekommen umgerechnet nur 7,50 Euro netto Stundenlohn. Das ist für diese verantwortungsvolle Aufgabe viel zu wenig! Unsere Fraktion im Bundestag fordert deshalb seit Jahren ausreichende Vergütung und Rentengerechtigkeit gerade für Frauen in sozialen und helfenden Berufen.1

Am 10. Juli 2012 hatten sich nun die gesetzlichen Krankenkassen und die Hebammen-Verbände nach monatelangen Verhandlungen endlich auf einen finanziellen Ausgleich für die freiberuflichen Geburtshelferinnen geeinigt. Doch Nicole Kaempfer stellte klar: “Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein! Für Freiberuflerinnen mit unter zehn Geburten im Jahr, und dazu gehört bundesweit das Gros freiberuflich tätiger Hebammen, ist das überhaupt nicht hilfreich! Die finanzielle Belastung ist einfach zu hoch!“

Vor Jahren noch wurden etwa 30 Geburten pro Jahr im Geburtshaus begleitet – für Herford eine beträchtliche Anzahl, so Kaempfer. "Jetzt können wir uns das nicht mehr leisten!" Hinzu kommt, dass Geburten immer mehr als medizinischer und nicht als natürlicher Vorgang gesehen und behandelt werden. "Verunsicherte Frauen gehen aus Sicherheitsüberlegungen vermehrt zur Geburt in die Klinik", erläutert Nicole Kaempfer. "Dabei belegen alle Untersuchungen, dass außerklinische Geburten keinesfalls riskanter sind."

Im Herforder Geburtshaus werden seit Februar 2012 keine Geburten mehr begleitet. Ich denke, damit sind Frauen die Leitragenden, die außerhalb einer Klinik in häuslicher Atmosphäre entbinden wollen und nun keine Möglichkeit mehr dazu haben. Die drei Hebammen bieten aber weiterhin Vorsorge in der Schwangerschaft, unterstützende Kurse und Wochenbett-Betreuung an.
Wie wir weiter erfuhren, wird ambulante Unterstützung intensiv nachgefragt, besonders in der Nachsorge. Der Bedarf an vielfältigen frauen- und familienunterstützenden Angeboten wurde überdeutlich. Frühe Hilfen sind ein unverzichtbarer Baustein in der gesunden Entwicklung der Kinder und ihrer Familien. Allgemein unbestritten übernehmen Hebammen dabei notwendige und tragende Aufgaben.

Deshalb ist es für mich ein Skandal, dass Hebammen von ihren Einkünften kaum leben können und viele sich gezwungen sehen, ihre freiberufliche Tätigkeit aufzugeben! Es müssen Arbeitsbedingungen und Unterstützungen geschaffen werden, die diese überaus wichtige Arbeit auch möglich machen. Herford proklamiere sich als "familienfreundliche Stadt". Das muss auch bedeuten, offensiv die Hebammentätigkeit zu unterstützen und fördern!

1Kleine Anfrage "Zur Situation der Hebammen und Entbindungspfleger in Deutschland" - BT-Drs. 17/1478 und Antrag "Versorgung durch Hebammen und Entbindungspfleger sicherstellen" - BT-Drs. 17/2128

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