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Hausärztliche Versorgung: Transparenz und Aufklärung statt Wettbewerbsideologie!

Nachricht von Birgit Wöllert,

Der Bundesregierung liegen weder belastbare Hinweise vor, dass mit der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) bei den eingeschriebenen Versicherten die Qualität der Versorgung verbessert werden konnte, noch dass damit im Vergleich zur normalen kollektivvertraglichen Versorgung Kosten eingespart werden können. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Birgit Wöllert, Obfrau der Fraktion DIE LINKE. im Ausschuss für Gesundheit des Bundestages, hervor.

Die Krankenkassen haben die Pflicht, ihren Versicherten die Möglichkeit zur HzV anzubieten. Versicherte, die ein solches Angebot annehmen, verpflichten sich für mindestens ein Jahr, bei gesundheitlichen Problemen immer zuerst eine bestimmte hausärztliche Praxis aufzusuchen (ausgenommen sind Notfälle, Besuche beim Gynäkologen, beim Augen- und Kinderarzt, sowie Arztbesuche außerhalb Wohnorts). Der/die jeweilige Hausärztin/-arzt verfügt idealerweise über einen umfassenden Überblick über die jeweilige
(Kranken-)Geschichte sowie die vorgenommenen Behandlungen. Auf Grund dessen soll eine hausärztliche „Lotsenfunktion“ möglich werden; Mehrfachuntersuchungen und -behandlungen, vermeidbare Wechselwirkungen von Arzneimitteln sowie unnötige Besuche bei anderen Ärzten und unnötige Krankenhauseinweisungen sollen vermieden werden können.

Mit der Einführung der HzV im Jahr 2004 sollte deshalb der Wettbewerb zwischen den Kassen intensiviert und dadurch die Qualität der Versorgung gesteigert und Kosten gesenkt werden.

Aktuell existieren 55 HzV-Verbundverträge und rund 580 Einzelverträge, in die 3,751 Mio. Versicherte (ca. 5,3% aller GKV-Versicherten) eingeschrieben sind. Das Ausgabenvolumen beträgt aktuell gut eine Mrd. Euro/Jahr. Die regionalen Schwerpunkte der HzV liegen in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen mit 3,55 Mio. Eingeschriebenen (ca. 95% aller HzV-Teilnehmenden).

Allerdings steht zehn Jahre nach der Einführung der HzV nicht nur eine breite wissenschaftliche Prüfung ihrer Ziele aus (Steigerung der Qualität der Versorgung bzw. Senkung der Kosten). Zusätzlich kommt der Bundesverband der Verbraucherzentrale (vzbv) zu der Einschätzung, dass mit der HzV „eine intransparente Zone … geschaffen wurde“ – eine Einschätzung, der die Bundesregierung nicht einmal zu widersprechen versucht. Es scheint der Bundesregierung schlicht egal zu sein, dass den Versicherten eine informierte Entscheidung nicht möglich ist. Das ist insbesondere deshalb bedenklich, weil PatientInnen von ÄrztInnen teilweise zur Teilnahme gedrängt werden, wie aus einer von der AOK veröffentlichten Studie hervorgeht. Ausschlaggebend hierfür dürften neben anderen Gründen auch die höheren Honorare sein, die die teilnehmenden ÄrzteInnen für die eingeschriebenen PatientInnen erhalten.

Trotz der fehlenden Nachweise, dass die Versorgungsqualität erhöht oder Kosten eingespart wurden, hat die Bundesregierung mit dem im Sommer 2015 verabschiedeten Versorgungsstärkungsgesetz die Möglichkeit eröffnet, in der HzV über den Leistungsumfang der Regelversorgung hinauszugehen. Damit wird eine „weitere Stärkung des Wettbewerbs“ angestrebt – ohne Aussicht auf Verbesserung der Versorgungsqualität.

„Dies zeugt von Engstirnigkeit - Wettbewerb wird als Allheilmittel angesehen und ist wohl inzwischen zum Selbstzweck geworden“, erklärt dazu Birgit Wöllert, Obfrau der LINKEN im Ausschuss für Gesundheit.

„Die Bundesregierung muss umgehend Schritte zum wissenschaftlichen Nachweis des Nutzens der HzV-Verträge ergreifen. Auch gegen die Intransparenz, der sich die Versicherten bei ihrer Entscheidung über die Teilnahme an der HzV ausgesetzt sehen, sind schleunigst Maßnahmen zu ergreifen. Andernfalls schädigt die Bundesregierung nachhaltig die eventuell bestehenden Potentiale einer hausarztzentrierten Versorgung. Sie setzt damit das Ansehen und die Qualität der Versorgung in der GKV insgesamt aufs Spiel“, so die Gesundheitsexpertin.

linksfraktion.de, 8. Juli 2015