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Hartz IV: Rechtsverschärfung aus dem Hause Nahles

Kolumne von Katja Kipping,


Von Katja Kipping, sozialpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion und Vorsitzende der Partei DIE LINKE

 

Am 3. Februar soll im Bundeskabinett das 9. SGB-II-Änderungsgesetz diskutiert und abgestimmt werden. Verschiedene Versionen von Referentenentwürfen sind bekannt. Angeblich sollen Rechtsvereinfachungen bei Hartz IV auf den Weg gebracht werden.

Zu kritisieren ist erstens, dass die CDU/SPD-Regierung nicht Hartz IV in Frage stellt – ein Gesetz, das Armut und soziale Ausgrenzung für Millionen direkt betroffener Bürgerinnen und Bürger bedeutet. Und für Erwerbstätige eine Androhung des sozialen Absturzes ist, wenn sie ihre Arbeitskraft nicht billig zu Markte tragen. 

Zweitens ist zu kritisieren, dass die nun schon Jahre andauernde Diskussion um Veränderungen bei Hartz IV ohne die Betroffenen geführt wurden. Die Wirtschaftslobby darf sich in Gesetzgebungsprozesse intensiv einmischen, die sozial Ausgegrenzten haben keine Chance.

Drittens sind die bisher bekannt gewordenen Vorhaben eher als Rechtsverschärfung zu bezeichnen. Ein Beispiel: In Deutschland gibt es eine breite Bewegung zur sofortigen Abschaffung aller Sanktionen bei Hartz IV. Sanktionen sind grundrechtswidrig, weil sie das ohnehin zu gering bemessene Existenzminimum kürzen, sogar bis auf null. Die Bundesländer haben sich aufgrund des andauernden parlamentarischen Drucks der Fraktion DIE LINKE und der außerparlamentarischen, sozialen Bewegung geeinigt, zumindest die verschärften Sanktionsregeln für unter 25-Jährige abzuschaffen, ebenfalls die Kürzungen der Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung im Sanktionsfall. Alle Länder haben diesen Sanktionsentschärfungen zugestimmt, außer Bayern. Mehr noch: Ministerpräsident Seehofer hat persönlich gegen diese Entschärfungen interveniert.

Bundesministerin Andrea Nahles ist nun eingeknickt und hat diese Forderung der Länder ignoriert. Und das sogar, obwohl selbst die SPD-Fraktion im Bundestag diese Forderung erhoben hat.

Statt nun diese Entschärfung der Sanktionen durchzukämpfen, wird mit der geplanten Rechtsverschärfung ein zweites, paralleles Sanktionsregime bei Hartz IV ausgebaut: Die Regelung zu Ersatzansprüchen der Jobcenter, die durch die unterstellte Herbeiführung eines Leistungsanspruchs auf Hartz IV durch so genanntes sozialwidriges Verhalten entstehen, wird ausgeweitet. Als Herbeiführung soll künftig auch das Aufrechterhalten, die Erhöhung und Nichtverringerung der Hilfebedürftigkeit gelten. Es sollen nicht nur Geldleistungen, sondern auch bisher gewährte Sachleistungen und die Sozialversicherungsbeiträge zurückgefordert werden. Das heißt zum Beispiel, dass ein Betroffener, der nicht auf eine etwas höher entlohnte, aber dennoch mies bezahlte und nicht qualifikationsgerechte Lohnarbeit wechselt, die unterstellten zu hohen Leistungen an das Jobcenter zurück erstatten muss. 

DIE LINKE hat eine klare Position: Hartz IV muss weg. Eine individuelle, sanktionsfreie Mindestsicherung, die Armut bekämpft, muss her. Unter 1050 Euro droht Armut. Die Sanktionen müssen sofort abgeschafft werden.

Wir unterstützen natürlich auch kleine Schritte in diese Richtung: Die von den Ländern und der SPD-Bundestagsfraktion geforderte Sanktionsentschärfung hätte unsere Unterstützung. Nun sind die SPD-(mit)geführten Bundesländer im Bundesrat und die SPD-Fraktion im Bundestag aufgefordert, dem Koalitionspartner, insbesondere der CSU, Paroli zu bieten, und nicht wieder zu kuschen.  

linksfraktion.de, 2. Februar 2016