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Hartz IV prallt ab

Im Wortlaut,

Union und SPD wollen an den Sanktionen nichts ändern – eine Petition soll das Thema weiter in der Debatte halten

Mit einer bundesweiten Aktion vor Jobcentern wollen Initiativen am Dienstag Unterschriften sammeln, damit das Thema Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher im Bundestag verhandelt wird. Initiatorin dieser Aktion ist die als »Hartz-IV-Rebellin« bekannt gewordene Jobcenter-Mitarbeiterin Inge Hannemann aus Hamburg.Für »nd« sprach mit ihr Reinhard Schwarz.

 

Was wollen Sie mit der Petition erreichen?

Inge Hannemann: Ziel ist es, dass das Thema Sanktionen im Bundestag öffentlich skandalisiert wird, und wir erhoffen uns eine Anhörung im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages.

Wie sehen Sie die Erfolgschancen der Petitionsaktion?

Wir schaffen die 50 000 Unterschriften. Allerdings rechne ich damit, dass der Bundestag die Petition abschmettert, weil in den Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD die Agenda 2010 keine Rolle spielte.

Prallt das Thema Hartz IV bei den Koalitionsparteien gänzlich ab oder sehen Sie irgendwelche Bewegung etwa beim Thema Sanktionen?

Das Thema prallt bei SPD und CDU komplett ab. Die loben sich ja noch gegenseitig dafür, auch die Grünen. Trotzdem denke ich, dass es bei den Sanktionen eine Änderung geben wird, voraussichtlich bei den Mietkosten. Gemeint ist damit, dass die Miete nicht angetastet wird, falls sanktioniert wird.

Von Betroffenen aus dem Freundeskreis höre ich, dass sie häufig gereizten und unfreundlichen Sachbearbeitern gegenübersitzen: Sind die einfach nur überlastet oder gibt es in den Agenturen ein bestimmtes Feindbild gegen spezielle Gruppen von Hartz-IV-Empfängern, die sich nicht alles gefallen lassen?

Beides. Die Mitarbeiter sind definitiv überlastet, vor allem in der Leistungsabteilung. Wir haben eigentlich viel zu viele Fälle zu betreuen. Dann sind wir psychologisch-pädagogisch schlecht qualifiziert, um mit Menschen zu arbeiten. Es gibt mittlerweile, nach dem Mord an einer Kollegin aus Neuss vom Oktober 2012, ein Deeskalationstraining, das ist aber freiwillig. Andererseits wird ein menschenwürdiger Umgang nicht erlernt. Wir lernen stattdessen, dass wir im Sinne des Steuerzahlers arbeiten müssen und nicht im Sinne der Erwerbslosen. Dabei waren die früher auch Steuerzahler und zahlen weiterhin Mehrwertsteuer über ihre Einkäufe.

Wie geht es in Ihrem Fall weiter? Der nächste Verhandlungstermin ist ja erst am 28. Februar 2014.

Es geht noch immer um das Hauptklageverfahren zur Weiterbeschäftigung vor dem Arbeitsgericht Hamburg. Derzeit bin ich bei voller Bezahlung noch immer suspendiert.

Will man an Ihnen ein Exempel statuieren oder wollen Ihre Vorgesetzten das Thema lieber geräuschlos vom Tisch haben, indem man Ihnen einen anderen Job anbietet?

Beides. Zum einen will die Bundesagentur wie auch meine direkte Dienststelle Jobcenter team.arbeit.hamburg ein Exempel statuieren. Mein eigentlicher Arbeitgeber, die Stadt Hamburg, sagt, sie will mir nicht kündigen. Aktuell habe ich einen neuen Arbeitsvorschlag für eine Tätigkeit in der Jugendhilfe erhalten, aber eine Entscheidung meinerseits steht noch aus. Das ändert jedoch nichts am Gerichtsverfahren.

Wie gehen Sie mit dem auf sie lastenden Druck um?

Ich habe zwar sehr viel Arbeit, aber ich komme dank meiner Unterstützer gut klar, ich empfinde keinen Druck.

Wollen Sie überhaupt noch in Ihren alten Job bei der Arbeitsagentur zurück?

Ja. Die Arbeit mit den Erwerbslosen an sich ist schön, sofern man die Freiheit erhält, auch menschlich zu arbeiten. Das liegt in der Hand der Geschäftsführung.

 

neues deutschland, 3. Dezember 2013