Zum Hauptinhalt springen

Gut lernen und gut essen gehören zusammen

Im Wortlaut von Karin Binder,

 

Von Karin Binder, ernährungs- und verbraucherpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Die Kita- und Schulverpflegung in Deutschland ist insgesamt mangelhaft. Note 5 für das Essen unserer Kinder in Ganztagseinrichtungen ist aber nicht hinnehmbar. Betroffen sind zwei Millionen Kita-Kinder und über vier Millionen Schülerinnen und Schüler. Allzu oft ist das Essen von schlechter Qualität und erfüllt ernährungsgesundheitliche Anforderungen nicht. Die Mahlzeiten sind zu fett, zu süß und enthalten zu wenige Vitamine und Ballaststoffe. Schulen und Trägern fehlt es an Geld, Fachleuten und geeigneten Räumen. Nur die Hälfte der Schülerinnen und Schüler in den Ganztagseinrichtungen nimmt überhaupt an der Gemeinschaftsverpflegung teil. Umliegende Kioske und Imbissbuden haben da leichtes Spiel. Kinder und Jugendlichen werden nicht einmal gefragt, was sie essen mögen. Das Ernährungsthema spielt im Erziehungs- und Lernalltag nur eine Nebenrolle. Kinder aus armen Familien werden bei nicht gezahlten Beiträgen von der Gemeinschaftsverpflegung ausgeschlossen, wie unlängst in Berlin der Fall.

Derartige Zustände haben Folgen für die gesundheitliche Entwicklung und den Lernerfolg der Kinder und Jugendlichen. Die Linksfraktion hat Anfang 2016 eine Fachtagung zum Thema „Bausteine für gutes Kita- und Schulessen“ durchgeführt. Dazu haben wir diejenigen eingeladen, die sich vor Ort um die Verpflegung kümmern, also Schülerinnen und Schüler, Eltern, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, Schulleitungen und Träger von Einrichtungen. Sie alle haben uns deutlich gemacht, was für eine gute Kita- und Schulverpflegung unverzichtbar ist:

  1. Täglich frisch kochen in den Einrichtungen, mit Zutaten aus der Region und unter Beteiligung der Kinder. Die Warmhalteküche, bei der das Essen aus Großküchen angeliefert wird und teils stundenlang herumsteht, bevor es den Kindern vorgesetzt wird, ist nicht mehr zeitgemäß.
  2. Fragt endlich die Kinder, was sie essen wollen! Es ist unerlässlich, die Kinder und Jugendlichen in die Planung, Zubereitung und anschließende Bewertung der Mahlzeiten einzubinden und Mitbestimmungsmöglichkeiten zu schaffen. Nur so nehmen sie auch am Gemeinschaftsessen teil.
  3. Wir brauchen bundesweit einheitliche und verpflichtende Qualitätsstandards fürs Essen, deren Einhaltung auch überwacht wird, sowie einheitliche Vorgaben für Ausschreibungen und Leistungen. Es ist unverzichtbar, dass auch die Gemeinschaftsverpflegung bei Geschmack, Hygiene und Ernährungsgesundheit den Pisa-Test bestehen.
  4. Mindestpreise statt Kampfpreise. Die Kosten für eine gute Verpflegung betragen derzeit mindestens 4,50 Euro je Mahlzeit am Tag – bei 7 Prozent Mehrwertsteuer. Wer darunter bleibt, macht Abstriche bei Qualität und Geschmack und damit letztendlich auch bei der Gesundheit der Kinder.
  5. Die Kita- und Schulverpflegung muss fächerübergreifend mit dem Erziehungs- und Lernalltag verknüpft werden. Das ist Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Gemeinschaftsverpflegung. Wer viel über die Herkunft und Zusammensetzung der Lebensmittel weiß und bei der Zubereitung der Mahlzeiten mitmacht, hat auch Lust auf gemeinsames Essen und gesunde Ernährungsstile.
  6. Die Gemeinschaftsverpflegung muss beitragsfrei sein. Können Eltern die Beiträge nicht bezahlen, werden die Kinder und Jugendlichen teilweise von der Verpflegung ausgeschlossen. In Deutschland erfahren Kinder über die Gemeinschaftsverpflegung Ausgrenzung und Diskriminierung. Solche Zustände sind aus Sicht der Fürsorge und der Ernährungsgesundheit nicht hinnehmbar.

Gut essen und gut lernen gehören zusammen. Wie das gelingt, haben wir in unserem Antrag für ein „Bundesprogramm Kita- und Schulverpflegung“ aufgeschrieben. Ziel muss eine qualitativ hochwertige, altersgerechte und abwechslungsreiche Kita- und Schulverpflegung sein, an der alle Kinder und Jugendlichen unentgeltlich teilnehmen. Wer dahinter zurück bleibt, braucht Nachhilfe.

Bei der CDU/CSU-Fraktion heißt es lapidar, der Bund sei fürs Kita- und Schulessen nicht zuständig. Ich sage: Wenn es ums Wohl unserer Kinder geht, wenn es um gesundheitliche Vorsorge geht, ist der Bund immer in der Pflicht zu handeln. Er kann sich bei diesem Thema nicht um die staatliche Fürsorgepflicht herumdrücken. Der Bund muss deshalb eine gute Verpflegung in den Einrichtungen durch geeignete Rahmenbedingungen absichern. Dazu muss er auch ausreichend finanzielle Mittel im Bundeshaushalt zur Verfügung stellen.

Dann heißt es, beitragsfreies Essen wird angeblich nicht wertgeschätzt. Ich stelle fest: Die Sportstunden sind auch kostenfrei. Niemand verlangt Ball-Geld oder eine Hallengebühr, damit Kinder sportliche Aktivitäten wertschätzen. In einer Ganztags-Kita und der Ganztagsschule gehört das Essen zum Lernalltag dazu. Nur wer das nicht erkennt, kann auf die Idee kommen, dafür Geld zu verlangen.

Tatsächlich müssen wir uns auch vorhalten lassen, die Kosten für eine hochwertige Kita- und Schulverpflegung seien zu hoch. Dazu ein paar Vorschläge an die Bundesregierung: Streichung der Steuergeschenke für die tricksende Autoindustrie. Allein für die Subventionierung großer Dienstwagen und für die unwirksame Bezuschussung von Elektroautos wird mehr Geld verschleudert, als wir für gutes Essen in Kitas und Schulen brauchen.

Besonders viel kann Finanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU beitragen: Die Absenkung der Mehrwertsteuer für die Kita- und Schulverpflegung von derzeit 19 Prozent auf 7 Prozent senkt die Verpflegungskosten um fast 1,4 Milliarden Euro. Ohnehin muss man anmerken: Wer Kindern in Kitas und Schulen für jedes Mittagessen einen halben Euro an Steuern abknüpft, sollte sich schämen. Außerdem will Herr Schäuble ohnehin mit Steuergeschenken in den Wahlkampf ziehen. Hier ist mein Vorschlag zur Entlastung der Eltern: Kostenfreie Kita- und Schulverpflegung durch ein „Bundesprogramm Kita- und Schulverpflegung“.

linksfraktion.de, 2. Juni 2016