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»Grundgesetz mit Leben füllen«

Im Wortlaut,

Linksfraktion entwarf in Bremen Vorschläge zur Verbesserung der Staatseinnahmen

Die Linksfraktion fordert 500 000 öffentlich geförderte sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Sie sollten Einrichtungen in den Bereichen Bildung, Kultur, Soziales und Ökologie zu Gute kommen. Dies ist eine der Forderungen, die die Linksfraktion am Ende ihre zweitägigen Klausurtagung in Bremen aufgestellt hat.
»Hier geht es um Beschäftigung, die keinen Gewinn bringt«, sagte Fraktionschef Gregor Gysi gestern vor Journalisten in Bremen. Und: »Es müssen wichtige Arbeiten verrichtet werden, die sonst keiner übernimmt.« Nicht nur Gysi, auch Fraktionsvorsitzender Oskar Lafontaine zeigte sich davon überzeugt, dass ein solches Programm finanzierbar sei. Lafontaine hob in diesem Zusammenhang nochmals hervor, dass auch die Bevölkerungsschichten mit höherem Einkommen besteuert werden müssten. Allein durch die Einführung einer Vermögenssteuer, wie sie in Frankreich gelte, könne der Staat rund 50 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen, erklärte Lafontaine.

Die Vermögenssteuer gehört zu einem ganzen Paket von Vorschlägen der Linksfraktion. So fordert sie die Einführung einer Börsenumsatzsteuer. Auch dieser Beschluss ist in Bremen gefallen. Lafontaine rechnete vor: Die Börsen in Deutschland würden jährlich rund 3,8 Billionen Euro umsetzen. Werde dies wie in Irland mit 1,5 Prozent besteuert, stünden dem Staat rund 30 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung. Mit den Einnahmen aus der Vermögens- sowie der Börsenumsatzsteuer ist nach den Worten von Gysi »eine gute Sozial- und Bildungspolitik möglich«. Die Linksfraktion möchte die Erlöse dafür verwenden, jedem Mädchen und Jungen einen kostenlosen Kindergartenplatz zu garantieren. In diesem Zusammenhang bezichtigten Lafontaine und Gysi die SPD der Lüge. Das Versprechen »Kindergartenplatz für alle« sei für die Kommunen nicht finanzierbar.

Neben ihren Vorschlägen zur Verbesserung der staatlichen Einnahmen widmete sich die Fraktion in Bremen auch dem bereits in Berlin vorgestellten »Europapapier«. Dazu machten Lafontaine und Gysi klar, dass der Text der gescheiterten europäischen Verfassung nicht gerettet werden könne, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel glaube. Die fünf großen Eckpunkte umriss Lafontaine: Verabschiedung der Verfassung durch das Volk, europaweite Mindestlöhne und eine Harmonisierung der Steuern, eine Sozialcharta »als Kern einer europäischen Politik« (Gysi) sowie keine Militarisierung der Außenpolitik.

Ein weiterer Bereich, dem man sich in den kommenden Monaten widmen will, ist der Kampf gegen die Rente mit 67 Jahren. In diesem Kampf werde die Linkspartei die Gewerkschaften unterstützen. Lafontaine hob noch einmal seinen Standpunkt hervor: Die Erhöhung des Rentenalters komme einer Kürzung der Bezüge gleich. Der ehemalige Sozialdemokrat verwies auf die Praxis am Arbeitsmarkt: Menschen über 50 Jahre hätten kaum mehr eine Chance auf ein reguläres Beschäftigungsverhältnis. Gysi befand: »Es geht hier nicht um Demografie, sondern um Ökonomie.« Die Produktivität in Deutschland wachse schneller als die Wirtschaft.

Die Linksfraktion wird sich ebenfalls der Gesundheitsreform weiter intensiv widmen. Was die Bundesregierung veranstalte, dazu traue er sich das Wort »Reform« überhaupt nicht auszusprechen. Beide Fraktionschefs sprachen sich für eine Bürgerversicherung aus. Gysi und Lafontaine wehrten sich gegen den Vorwurf der anderen Parteien, sie betrieben eine Art »Fundamentalopposition«. Wenn die Partei Vorschläge unterbreite, beziehe sie sich immer auf die Staaten in Europa, wo es Entsprechendes bereits gebe. »Wir tun nichts weiter, als die Bestimmungen des Grundgesetzes mit Leben zu füllen«, erklärte Lafontaine.

Von Ulf Buschmann, Bremen

Neues Deutschland, 12. Januar 2007