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Große Koalition regiert an den sozialen Problemen im Land vorbei

Im Wortlaut von Sabine Zimmermann,

 

Von Sabine Zimmermann, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Leiterin des Arbeitskreises Soziales, Gesundheit, Rente


Deutschland im Sommer 2015: Während die Bundesregierung die griechische Regierung mit dem Grexit zur Fortführung einer sozial desaströsen Sparpolitik erpresst, geht die soziale Lage im eigenen Land völlig unter. Trotz steigender Beschäftigung und sinkender Arbeitslosigkeit wird die Kluft zwischen Arm und Reich immer tiefer und die Armut erreicht einen neuen Höchststand. Die Langzeiterwerbslosigkeit hat sich oberhalb der Millionenmarke verfestigt. Prekäre Beschäftigung grassiert trotz des Mindestlohns. Die Sanktionen gegen Hartz-IV-Beziehende gefährden die menschenwürdige Existenz von hunderttausenden Menschen. Die Probleme in Gesundheit und Pflege werden trotz vielfältiger gesetzlicher Aktivitäten nicht in ihrem Kern angegangen. Es herrscht weiterhin Pflegenotstand in Krankenhäusern und Pflegeheimen und über die Zusatzbeiträge werden die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen schon bald die Versicherten massiv belasten.

Die Bundesregierung unternimmt nichts gegen die zunehmende soziale Spaltung, unzureichende soziale Absicherung und gesundheitliche Versorgung. Zur grassierenden Armut fällt der sozialdemokratischen Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles nichts anderes ein, als per Interview den etablierten Armutsbegriff anzugreifen. Das kannten wir früher von der FDP. Die Reformen im Gesundheits- und Pflegebereich bleiben Stückwerk. In der Rentenpolitik legt die Bundesregierung die Hände völlig in den Schoß.

Für eine sanktionsfreie Mindestsicherung

DIE LINKE. im Bundestag bringt in vielfältigen Initiativen die Probleme zur Sprache und zeigt Lösungswege auf. Zum des 10-jährigen Inkrafttretens von Hartz-IV haben wir als Alternative ein Programm für gute Arbeit und eine sanktionsfreie Mindestsicherung vorgelegt. Unsere Initiativen waren Ende Juni Gegenstand einer öffentlichen Ausschussanhörung. Bis auf die von den Unionsfraktionen als Sachverständige benannten Wirtschaftsvertreter haben dort alle Experten zumindest das Ziel unterstützt, die verschärften Sanktionen für junge Erwachsene abzuschaffen. Die Stimmung dreht sich langsam – auch dank unseres Drucks.

Wir haben zudem ein umfassendes Programm gegen Langzeiterwerbslosigkeit und ein Konzept für öffentlich geförderte Beschäftigung vorgelegt. Durch eine Vielzahl von Anfragen und Datenabfragen haben wir immer wieder die Schwachstellen der aktuellen Arbeitsmarktentwicklung heraus gearbeitet.

In der Rentenpolitik haben wir auf die Gerechtigkeitsdefizite der Rente ab 63 hingewiesen und vor allem Verbesserungen für Mütter gefordert. Eine kleine Anfrage von uns machte deutlich, dass der Ausbau der Betriebsrenten keine Alternative zur Stärkung der gesetzlichen Rente sein kann.

Solidarische Gesundheitsversorgung einführen

In der Gesundheits- und Pflegepolitik galt es eine ganze Reihe von Gesetzesvorhaben der Bundesregierung kritisch zu begleiten und aufzuzeigen, was eigentlich für eine bessere Versorgung nötig wäre. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Einführung einer solidarischen Gesundheitsversicherung, in die alle Bürgerinnen und Bürger ohne Beitragsbemessungsgrenze und die Arbeitgeber wieder paritätisch einzahlen. In einem Antrag haben wir aufgezeigt, wie dazu der erste Schritt in der Pflegeversicherung gemacht werden kann. Eine breitere Einnahmebasis würde sinkende Beiträge für alle bedeuten und zugleich eine bessere, bedarfsgerechte Versorgung und mehr Personal in Gesundheit und Pflege ermöglichen.

In den kommenden Monaten werden wir weiter gegen die menschenunwürdigen Sanktionen im Hartz IV-System und für ein wirklich menschenwürdiges Existenzminimum streiten. Denn im Herbst steht die Neubestimmung der Regelsätze an. Auch die Pläne der Bundesregierung zur „Rechtsvereinfachung im SGB II“ sind nicht vom Tisch. Hier gilt es Verschlechterungen abzuwehren und den Druck auf die Koalition zu erhöhen, wenigstens die schärferen Sanktionen für unter 25-jährige abzuschaffen.

Zusammen mit den Gewerkschaften werden wir die Debatte um das Rentenniveau neu beleben. Denn nur wenn die gesetzliche Rente wieder gestärkt wird, wird es in Zukunft noch armutsfeste Renten für die Menschen mit unteren und mittleren Einkommen geben. Genauso notwendig ist es, prekäre Beschäftigung zu bekämpfen, denn nur aus guter, stabiler Arbeit können vernünftige Rentenansprüche erwachsen.

»Das muss drin sein«

Deshalb werden wir unsere Forderungen zur Eindämmung prekärer Beschäftigung erneut in den Bundestag einbringen und weiterhin unermüdlich aufzeigen, was am deutschen Arbeitsmarkt nach wie vor im Argen liegt. Außerdem wollen wir uns verstärkt dem Thema Fachkräftemangel widmen, der in Teilen des Arbeitsmarkts real ist, in anderen Bereichen von der Kapitalseite aber auch herbei geredet wird, um Forderungen nach höheren Löhnen und Druck für bessere Arbeitsbedingungen in Schach zu halten.

Gerade im Gesundheits- und Pflegebereich ist der Fachkräftemangel vielfach durch schlechte Arbeitsbedingungen und geringe Entlohnung hausgemacht. Hier gilt es finanzielle Spielräume zu schaffen, damit die Löhne steigen können und mehr Personal eingestellt werden kann. Auch muss die bedarfsgerechte Personalbemessung in Krankenhäusern gesetzlich fest geschrieben werden, was wir jüngst als Forderung in den Bundestag eingebracht haben.

Die Partei hat zum 1. Mai eine Kampagne gestartet, die prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse im reichen Deutschland skandalisiert. „Das muss drin sein!“ lautet ihr Slogan, unter dem sich unter anderem die Forderung nach einer sanktionsfreien Mindestsicherung statt Hartz IV und nach mehr Personal in Bildung, Gesundheit und Pflege versammeln – beides zentrale Themen des Arbeitskreises I. Diese Kampagne werden wir parlamentarisch unterstützen. Im Sommer touren einige unserer Abgeordneten mit mehreren Krankenhausbetten durch die Innenstädte Süd- und Westdeutschlands, um auf den Pflegenotstand im Krankenhaus und Pflegebereich aufmerksam zu machen. Außerdem werden wir im Oktober eine große Konferenz veranstalten, auf der wir mit gesellschaftlichen Akteuren neue Strategien für eine bedarfs- und sozial gerechte Gesundheits- und Pflegepolitik diskutieren werden.

Denn das muss drin sein in einem reichen Land wie Deutschland: Gute Versorgung für alle in Gesundheit und Pflege, gute Renten und eine soziale, sanktionsfreie Mindestsicherung statt Hartz IV. Dafür kämpft DIE LINKE – vor, nach und während des Sommers.
 

linksfraktion.de, 20. Juli 2015