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Grauer Kapitalmarkt: Verbraucherschutzpolitik im Blindflug

Nachricht von Hubertus Zdebel, Fabio De Masi,

Auswertung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Aktueller Stand der Regulierung des Grauen Kapitalmarkts" (Drucksache 19/4954) von Hubertus Zdebel, Fabio De Masi, Jörg Cezanne und der Fraktion DIE LINKE im Bundestag

Zurzeit sind nach Angaben der Bundesregierung rund 8000 Finanzinstrumente, die im weitesten Sinne dem Grauen Kapitalmarkt zuzurechnen sind, im Umlauf. Jedoch konstatiert die Bundesregierung, dass die Datenlage dünn ist bzw. Daten und Zahlen teils gar nicht vorhanden sind. Daher dürfte die tatsächliche Zahl deutlich höher sein.

Es liegen keinerlei Daten zu Verlusten, die Verbraucher*innen durch Produkte des Grauen Kapitalmarkts entstehen, vor. Gleichsam werden keine Daten zu Finanzbetrieben, die mit einem Schneeballsystem Anlegergelder eintreiben, ermittelt. Die Polizeiliche Kriminalstatistik schlüsselt bei Anlagebetrug nicht nach Anbieter oder Finanzinstrument auf.

Die Bundesregierung stellt einen „informationsbasierten Anlegerschutz“ mit Prospekten und Infoblättern in den Mittelpunkt. Der Graue Kapitalmarkt wird als ausreichend reguliert angesehen, da es seit 2015 (Kleinanlegerschutzgesetz) umfassende Verbesserungen im finanziellen Verbraucherschutz gab. Anfang 2019 wird ein neuer Evaluierungsbericht vorgelegt.

Die Bundesregierung identifiziert keinen kritischen Punkt bezüglich der Arbeit der BaFin. Das formale Prüfungsrecht der BaFin ist ausreichend, wohingegen ein erweitertes, inhaltliches abgelehnt wird. Rechnungslegungspflichten sowie von Wirtschaftsprüfern testierte Jahresabschlüsse sind ausreichend. Ebenso wird eine obligatorische öffentlich-rechtliche Zulassungsprüfung für Finanzinstrumente, ein Finanz-TÜV, abgelehnt.

Die BaFin prüfte insgesamt 56 Eingaben des Marktwächters Finanzen und der Verbraucherzentralen zu möglichen verbraucherschutzrechtlichen Verstößen. Des Weiteren erreichten die BaFin sechs Abgaben der Verbraucherzentralen wegen des Verdachts einer unerlaubten Tätigkeit. Ein einziges Mal hat dabei die BaFin bislang von ihrem Recht auf Produktintervention Gebrauch gemacht.

Hubertus Zdebel, Mitglied im Finanzausschuss und Berichterstatter für finanziellen Verbraucherschutz:

„Wer glaubt, dass der Graue Kapitalmarkt ausreichend reguliert ist, glaubt auch daran, dass Zitronenfalter Zitronen falten. Die Pleiten von Prokon und jüngst P&R sprechen eine andere Sprache. Es ist erschreckend, wie wenig Überblick die Bundesregierung über den Grauen Kapitalmarkt hat. Sie betreibt eine Verbraucherschutzpolitik im Blindflug.

Aufgrund der mangelhaften Datenlage wird die Zahl der Finanzinstrumente, die dem Grauen Kapitalmarkt zuzurechnen sind, klein gehalten. Kein Wunder, dass man in der Folge die realen Gefahren verkennen muss. Ein Papierdschungel aus Prospekten und Infoblättern ist halt noch lange kein umfassender Verbraucherschutz und verhindert auch keinen Anlagebetrug.

Es wird höchste Zeit, das Versprechen der Politik seit 2008 in die Tat umzusetzen, dass kein Finanzinstrument, kein Finanzakteur und keine Finanzpraktik unreguliert sein dürfen. Dies ist umso nötiger, als dass man viele Verbraucher durch rigide Rentenkürzungen in die kapitalgedeckte private Altersvorsorge trieb und sie ungeschützt windigen Finanzbetrieben auslieferte. Verschärft sich dies weiter, gibt es mit der nächsten Finanzkrise ein noch böseres Erwachen als nach der letzten."

Fabio De Masi, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE:

„Die Bundesregierung lässt einen Schwarzmarkt auf dem Kapitalmarkt zu. Zahlen zu den Verlusten von Verbrauchern werden nicht erhoben. Die P&R-Pleite zeigt, dass die BaFin Prospekte nicht nach den Gesetzen der Logik und des ehrbaren Kaufmanns prüft.

Je nach Studie verlieren Verbraucher zwischen 20 und 30 Milliarden Euro pro Jahr durch unseriöse und hochriskante Produkte des Grauen Kapitalmarkts. Mancher Kleinanleger verliert dabei seine gesamten Lebensersparnisse. Da somit keine durchgreifende Regulierung zu erwarten ist, werden die finanziellen Verluste der P&R-Gläubiger leider nicht das Ende der Fahnenstange sein.

Wir brauchen deshalb eine verpflichtende öffentlich-rechtliche Zulassungsprüfung für Finanzinstrumente. Neben diesem Finanz-TÜV sind die Finanzanlagenvermittler der Aufsicht durch die BaFin zu unterstellen und der provisionsbasierte Verkauf von Finanzinstrumenten zu unterbinden. Die BaFin muss endlich zu einer inhaltlichen Prüfpflicht von Prospekten gezwungen werden.“

Auswertung der Antwort der Bundesregierung im Detail