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Gesetzentwurf zur Verankerung von „Nein heißt Nein“

Im Wortlaut von Halina Wawzyniak,

      Foto: © Sascha Nolte

 

Von Halina Wawzyniak, rechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE

 

Dieser Artikel erschien zuerst auf Halina Wawzyniaks Blog

 

Der Wunsch den Grundsatz „Nein heißt Nein“ im Sexualstrafrecht zu verankern besteht seit langem. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz führte am 28. Januar 2015 eine Anhörung zur Umsetzung der Istanbul-Konvention durch. Es war diese Anhörung, die mich davon überzeugt hat, dass im Sexualstrafrecht Schutzlücken bestehen.

Im Januar schrieb ich hier über den Alltag im Bereich sexualisierter Gewalt und sexueller Belästigung. Zum Thema Sexualstrafrecht und Köln habe ich im Januar ebenfalls etwas aufgeschrieben. Die Mühlen des Parlamentarismus mahlen nun etwas langsamer als sich Blogbeiträge schreiben lassen. Aber jetzt ist es geschafft. Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zur Verankerung von „Nein heißt Nein„ liegt vor. Ihn zu schreiben hat viel Zeit und Kraft gekostet, aber es hat sich gelohnt. Und wenn frau von was überzeugt ist, schreibt es sich ja auch viel besser.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat einen Gesetzentwurf bereits am 01.07.2015 vorgelegt, die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf wird seit gefühlten zwanzig Sitzungen im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz vertagt. Der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Recht und Verbraucherschutz liegt seit Dezember 2015 vor, ist aber noch kein Gesetzentwurf der Bundesregierung. Der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen regelt in § 177 Abs. 2 StGB auch den Grundsatz „Nein heißt Nein„, der Referentenentwurf des BMJV schließt die Schutzlücke der Überraschungsfälle, regelt aber nicht „Nein heißt Nein„.

Warum hat DIE LINKE nun noch einen eigenen Gesetzentwurf gemacht? Obwohl ich persönlich auch den Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen für zustimmungsfähig halte, scheint mir der Ansatz im nun vorgelegten Gesetzentwurf der LINKEN überzeugender. Es ist aus meiner Sicht kein kleinlicher Formalismus, ob ich in § 177 Abs. 2 StGB den Grundsatz „Nein heißt Nein“ verankere oder ob ich ein deutliches Signal mit einem klar formulierten Tatbestand am Anfang des Sexualstrafrechts aussende. Deshalb schlägt der Gesetzentwurf einen § 174 Abs. 1 StGB mit folgendem Wortlaut vor:

„Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder an sich vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung an oder mit einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ 

Klar, einfach, eindeutig. Nein heißt Nein. Dabei wird berücksichtigt, dass der entgegenstehende Wille nach außen treten muss.

Die Notwendigkeit der Schließung von Schutzlücken im Sexualstrafrecht ist mittlerweile weitgehend unbestritten. Denn das Sexualstrafrecht schützt die sexuelle Selbstbestimmung derzeit nicht ausreichend. Das liegt eben vor allem an der Formulierung des bisherigen § 177 StGB. Dessen integraler Bestandteil ist nun mal eine Nötigung. Im Tatbestand heißt es nämlich „Wer … nötigt, …“ Da kann die Rechtsprechung auch nichts machen, will sie nicht gegen den klaren Wortlaut agieren. Der Verweis auf „nötigt“ im Tatbestand verlangt aber die Überwindung des entgegenstehenden Willens mit Zwangsmitteln. Und die Duldung einer sexuellen Handlung muss derzeit auch Folge einer Nötigung sein. Der § 177 StGB schützt demnach nicht in Fällen, wo objektiv keine schutzlose Lage gegeben ist, egal ob das Opfer sich subjektiv schutzlos fühlt. Der § 177 StGB schützt demnach eben nicht, wenn der Täter auf eine Nötigung verzichtet und ein „Nein„, eine Abwehrbewegung, einen Versuch des Weglaufens, Tränen oder ein Kopfschütteln ignoriert. Und der § 177 StGB schützt derzeit nicht, in Fällen in denen das Opfer überrascht wird, zum Beispiel weil es schläft oder krank ist und deshalb keinen Willen bilden oder betätigen kann. Erfasst sind auch solche Fälle nicht, in denen das Opfer wegen früherer Gewalt, die bei der konkreten Tat aber nicht ausgeübt oder angedroht wird, die sexuelle Handlung duldet. Darunter fallen vor allem Gewaltbeziehungen, in denen zu früheren Zeitpunkten sexuelle Handlungen erzwungen wurden und allein aus Angst vor weiteren gewalttätigen Handlungen lediglich ein „Nein“ ausgesprochen, aber auf weitere Abwehrhandlungen verzichtet wird.

Um diese Schutzlücken zu schließen und weil es um eine deutliche Signalwirkung geht, gibt es jetzt diesen Gesetzentwurf. Die sexuelle Selbstbestimmung soll umfassend geschützt werden. Dies geschieht durch den bereits zitierten Grundtatbestand. Damit wird der gesetzgeberische Wille und die Erwartungshaltung zum Ausdruck gebracht, dass ein „Nein“ auch Nein heißt und sexuelle Handlungen gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sowie Überraschungsfälle und andere Fälle, in denen ein erkennbarer Wille nicht gebildet und zum Ausdruck gebracht werden kann, unter Strafe gestellt werden.

Der Vorschlag der LINKEN liegt nun auf dem Tisch. Über Feedback und Kritik am Gesetzentwurf freue ich mich. Noch mehr freuen würde ich mich allerdings, wenn endlich der Grundsatz „Nein heißt Nein“ gesetzlich verankert werden würde.

 

DIESER ARTIKEL ERSCHIEN ZUERST AUF HALINA WAWZYNIAKS BLOG

 

linksfraktion.de, 28. Februar 2016