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»Geplante Änderungen in der Leiharbeit sind Augenwischerei«

Nachricht von Klaus Ernst,

Auswertung der Kleinen Anfrage des Abgeordneten Klaus Ernst und der Fraktion DIE LINKE "Entwicklungen in der Leiharbeit" (BT-Drs. 18/2251)

Zusammenfassung:

Die Bundesregierung plant, dass in der Leiharbeit die Überlassungsdauer auf 18 Monate begrenzt wird und nach 9 Monaten das Equal-Pay-Prinzip gelten soll. Wie jedoch die Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE belegt, fiele der überwiegende Teil der Leiharbeitskräfte gar nicht unter die geplanten Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. 56 Prozent der Leiharbeitsverhältnisse wurden im Jahr 2013 nach weniger als drei Monaten beendet. Dieser Wert ist gegenüber 2011 (51 Prozent) sogar noch angestiegen.

Laut einer tiefergehenden Analyse des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung dauerten im Jahr 2010 nur 27,6 Prozent der Leiharbeitsverhältnisse länger als 9 Monate und lediglich 13,8 Prozent länger als 18 Monate. Knapp drei Viertel der Leiharbeitskräfte käme demnach überhaupt nicht in den Genuss der geplanten Equal-Pay-Regelung. Von einer Überlassungshöchstdauer von 18 Monate hätte nur ein geringer Teil der Leiharbeitskräfte einen Vorteil.

Zu beachten ist zudem, dass diese Zahlen nur die Dauer der Beschäftigung im Leiharbeitsunternehmen belegen und nicht die Dauer des Einsatzes im Entleihbetrieb, welche aber die entscheidende Größe bei den geplanten Änderungen ist. Über die Einsatzdauer liegen der Bundesregierung keine eigenen Daten vor, da diese statistisch nicht erfasst wird.

Der Stellenwert der Leiharbeit auf dem Arbeitsmarkt ist ungebrochen hoch. 33 Prozent der im Juli 2014 bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten offenen Stellen entfielen auf die Leiharbeit. Auch bei der Vermittlung durch die Arbeitsagenturen spielt die Leiharbeit eine entscheidende Rolle: 31 Prozent der Vermittlungen im Jahr 2013 entfielen auf die Leiharbeit.

Dies ist vor allem problematisch, da Leiharbeitskräfte deutlich weniger Lohn erhalten als regulär Beschäftigte. Bezogen jeweils auf sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigte liegt der Anteil von Niedriglohnbeziehenden bei Leiharbeitskräften mit 65 Prozent viel höher als in der Gesamtwirtschaft (dort beträgt der Niedriglohnanteil laut Entgeltstatistik der Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2013 nur 20,4 Prozent). Ebenfalls jeweils bezogen auf die sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten liegt der Durchschnittslohn (Median) in der Leiharbeit lediglich bei rund 57 Prozent des Durchschnittslohnes aller Beschäftigten. Und das, obwohl 40 Prozent der Leiharbeiter als Fachkräfte tätig und 70 Prozent Männer sind und ein großer Teil der Leiharbeitskräfte Tätigkeiten ausübt, die auf einen industrienahes Einsatzfeld hinweisen (Metallerzeugung, -bearbeitung und Metallbau sowie Verkehr und Logistik).

 

O-Ton Klaus Ernst:

 "Die geplanten Änderungen in der Leiharbeit sind reine Augenwischerei, denn fast niemand wird davon profitieren. Was wir brauchen ist eine Equal-Pay-Regelung ab dem ersten Einsatztag und eine Beschränkung der Überlassungsdauer auf drei Monate. Nur so kann Leiharbeit und Lohndumping wirksam eingeschränkt werden.“

 

Ergebnisse im Einzelnen:

  • Dauer von Leiharbeitsverhältnissen: 56 Prozent (346.000) Leiharbeitsverhältnisse wurden im Jahr 2013 nach weniger als drei Monaten beendet. Davon dauerten 22 Prozent weniger als eine Woche (entsprechend 12,3 Prozent aller Leiharbeitsverhältnisse). 44,1 Prozent der Leiharbeitsverhältnisse dauerten länger als 3 Monate (vgl. Antwort auf Frage 5).
  • IAB: Im Jahr 2010 dauerten 27,6 Prozent der begründeten Leiharbeitsverhältnisse länger als 9 Monate (2003 waren es 5,4 Prozentpunkte weniger, nämlich 22,2 Prozent). 13,8 Prozent der Leiharbeitsverhältnisse dauerten 2010 länger als 18 Monate (2003 waren es 11,0 Prozent) (vgl. Antwort auf Frage 5).
  • Entwicklung der Vermittlung von Arbeitslosen in Leiharbeitsverhältnisse: Von rund 265.000 Abgängen bzw. Vermittlungen in ungeförderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erfolgten 31 Prozent in die Branche der Arbeitnehmerüberlassung (81.000) (vgl. Antwort auf Frage 4).
  • Anteil der Leiharbeit an den offenen Stellen: Im Juli 2014 waren 33 Prozent der bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Stellen aus dem Wirtschaftszweig Arbeitnehmerüberlassung (vgl. Antwort auf Frage 22).
  • Beschäftigte in Niedriglohn: 65 Prozent der Beschäftigten in der Leiharbeitsbranche arbeiten im Niedriglohnbereich (vgl. Antwort auf Frage 17).
  • Bruttoverdienst: Das mittlere Bruttoarbeitsentgelt (Median) in der Leiharbeitsbranche liegt bei 1.700 Euro. Das entspricht rund 57 Prozent des mittleren Bruttoverdienstes aller Beschäftigter (2.960 Euro) (vgl. Antwort auf Frage 18).

 

Weitere Inhalte der Antworten auf die Kleine Anfrage:

  • Zahl der Verleihunternehmen mit Sitz im Inland und im europäischen Ausland: Die Zahl der Verleihbetriebe insgesamt vom Dezember 2012 bis Dezember 2013 um 278 Verleihbetriebe leicht zurückgegangen, im Vergleich zu 2009 jedoch ist eine Zunahme an Verleihbetrieben um 16 Prozent (von 15.300 auf 17.746) zu verzeichnen (vgl. Antwort auf Frage 1).
  • Anzahl der Leiharbeitskräfte: Im Dezember 2013 gab es in Deutschland rund 815.000 Leiharbeitskräfte (vgl. Antwort auf Frage 2).
  • 70 Prozent der Leiharbeitnehmer waren männlich und 30 Prozent weiblich (vgl. Antwort auf Frage 9).
  • Leiharbeitskräfte nach ausgeübten Tätigkeiten: Ein großer Teil der Arbeitnehmerüberlassung erfolgt in industrienahe Tätigkeiten. Der Bereich „Verkehr und Logistik“ konnte 2013 mit 19,6 Prozent der Leiharbeitskräfte den höchsten Anteil aller Leiharbeitnehmerinnen auf sich verzeichnen, gefolgt von der Metallerzeugung, -bearbeitung und Metallbau (15,4 Prozent) (vgl. Antwort auf Frage 9). 
  • Qualifikation und Tätigkeit von Leiharbeitskräften: Die Mehrheit der Leiharbeitskräfte, rund 428.000 Personen oder 53 Prozent, übten im Dezember 2013 eine Helfer- oder Anlerntätigkeit aus. 40 Prozent der Leiharbeitskräfte waren Fachkräfte und nur 7 Prozent Spezialisten oder Experten (vgl. Antwort auf Frage 9).
  • Verdrängungseffekte: Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung kommt zu dem Ergebnis, dass etwa die Hälfte des Beschäftigungsgewinns durch Leiharbeit auf Kosten von Jobs außerhalb der Leiharbeitsbranche gehen (vgl. Antwort auf Frage 10).
  • Abgang in Arbeitslosigkeit: Von den im Jahre 2013 rund 2,7 Millionen Personen, die aus ungeförderter Beschäftigung in Arbeitslosigkeit gingen, kamen rund 354.000 oder 13 Prozent aus dem Bereich der Arbeitnehmerüberlassung (vgl. Antwort auf Frage 14).
  • Aufnahme einer Beschäftigung aus Arbeitslosigkeit: Von rund 1,85 Millionen Personen, die ihre Arbeitslosigkeit im Jahr 2013 durch Aufnahme einer ungeförderten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung beenden konnte, begannen rund 323.000 oder 17,4 Prozent eine Beschäftigung in der Arbeitnehmerüberlassung (vgl. Antwort auf Frage 15).
  • Arbeitslosigkeits-/Entlassungsrisiko: In der Arbeitnehmerüberlassung lag das Zugangsrisiko in Arbeitslosigkeit im Jahr 2013 bei 4,01. Dagegen lag das durchschnittliche Risiko für alle Beschäftigte bei 0,84 Prozent (vgl. Antwort auf Frage 16).

linksfraktion.de, 21. August 2014