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Genossen werden Genossen

Im Wortlaut,

LINKE-Politiker sagen mit Wohnungsgenossenschaft Hedgefonds den Kampf an

Von Gabriele Oertel

Linksparteipolitiker beschreiten im Internationalen Jahr der Genossenschaften Neuland und gründen eine Wohnungsgenossenschaft, um 11 500 Wohnungen im Osten nicht den Hedgefonds zu überlassen. Ihre TreuhandliegenschaftsGenossenschaft »FairWohnen« wird um die Treuhandwohnungen mitbieten.

Gregor Gysi ist sich sicher: »Politik muss Einfluss auf die Mieten haben.« Und der Linksfraktionschef im Bundestag weiß aus Erfahrungen, dass der Parlamentarismus allein da nicht ausreicht. Grund für ihn und weitere Linksparteiabgeordnete, eine nahezu einzigartige überregionale Wohnungsgenossenschaft zu gründen, um die jetzt von der Bundesregierung zum Verkauf gestellten 11 500 sogenannten Treuhandwohnungen zu erwerben – weil sie in den Plänen des Bundes, diese bislang von ihm treuhänderisch verwalteten Ex-Betriebs- und NVA-Wohnungen im Gesamtpaket zu privatisieren, eine schiere Einladung an die als »Heuschrecken« bekannten Hedgefonds sehen.

Mit der am Freitag in Berlin gegründeten Genossenschaft »FairWohnen« soll die Verschleuderung öffentlichen Eigentums verhindert und dafür gesorgt werden, dass der Wohnungsbestand in gemeinschaftlicher Hand bleibt – vor allem in der Hand der in allen neuen Ländern einschließlich Berlin betroffenen Mieterinnen und Mieter. »Damit gehen wir in der Bundesrepublik einen völlig neuen Weg«, erklärte Gysi am Montag vor der Presse. Auf einen ersten Aufruf aus dem Landesverband Mecklenburg-Vorpommern der LINKEN zeichneten bereits 30 Bundestagsabgeordnete die notwendigen zehn Genossenschaftsanteile à 51,13 Euro – und Gysi ist optimistisch, dass es noch mehr werden. Unter den 30 000 Mietern der zum Verkauf stehenden Wohnungen an 40 Standorten will die LINKE möglichst viele zum Mitmachen gewinnen. Ein Bankenkonsortium, das die finanziellen Mittel für das Bieterverfahren zur Verfügung stellt, ist bereits gefunden. »Wir machen ein seriöses Angebot«, ist sich Gysi sicher.

Es sei nun an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) abzuwägen, ob er den maximalen Gewinn für etwas wolle, wofür der Bund einst nichts zu zahlen hatte, oder einer sozialeren Variante eine Chance gibt, erklärte die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Heidrun Bluhm, die nun auch Aufsichtsratschefin der neuen Genossenschaft ist. In dieser Eigenschaft ist sie nicht nur wild entschlossen, ein bislang einmaliges Zeichen zu setzen, um Wohnungen aus dem früheren DDR-Volkseigentum vor dem Verscherbeln zu retten. Sie will auch belegen, dass genossenschaftliches Wohneigentum Möglichkeiten bietet, erfolgreich unternehmerisch tätig zu sein und zugleich solidarische Gemeinschaftsarbeit und demokratische Mitbestimmung zu praktizieren. Schäuble, winkt Gysi mit dem Zaunpfahl, sei gehalten, den günstigsten Bieter auszuwählen. Derlei Forderung ziele aber nicht unbedingt auf das höchste Gebot.

neues deutschland, 17. April 2012