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Gemeint ist: Kombigewinn

Im Wortlaut von Herbert Schui,

Merkels Lohnmodell nützt lediglich den »Leistungsträger«-Haushalten. Vereinzelte Einstellung von Dienstmädchen wird als Wirtschaftspolitik verkauft

Von Herbert Schui

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ein Patentrezept gegen die Arbeitslosigkeit: Im Rahmen des Wandels zur Dienstleistungsgesellschaft sollen auch private Haushalte im Grundsatz als »Arbeitgeber« anerkannt werden. Mit Hilfe staatlicher Lohnzuschüsse könnten Geringqualifizierte dort »Lohn und Brot« finden. Den allermeisten Haushalten aber fehlt das Geld dafür, sie können auch zu Niedriglöhnen niemanden beschäftigen. Als »Arbeitgeber« kommen daher nur »Leistungsträger«-Haushalte mit hohem und sicherem Einkommen in Frage. Deren Leistung besteht jedoch erfahrungsgemäß darin, von der Senkung der Löhne und Sozialeinkommen zu profitieren.

Der Kombilohn, den Merkel in ihrer Regierungserklärung ansprach, soll es unter anderem ermöglichen, daß gutverdienende Haushalte Personal einstellen - allerdings nur, wenn es wenig kostet. Und da von Billiglöhnen niemand leben kann, soll der Staat einen Zuschuß zahlen.

Im sozialdemokratisch regierten Wien der 20er Jahre wurde genau andersherum verfahren: Seit 1923 mußten diejenigen Haushalte, die sich Personal leisten konnten, die »Breitner-Steuer« zahlen. Mit dem Aufkommen wurde der kommunale Wohnungsbau finanziert, so auch der Karl-Marx-Hof. Ob sich die deutsche »Reform«-SPD daran erinnern wird, wenn sie schließlich nach den üblichen rituellen Bedenken einigen Pilotprojekten zum Kombilohn zustimmt?

Wie soll der Kombilohn finanziert werden? Höhere Gewinnsteuern scheiden politisch aus. Also ein weiteres Mal: steigende Massensteuern (Mehrwertsteuer, Lohnsteuer) und weniger Ausgaben für Soziales und den öffentlichen Dienst. Dieses Mal ausdrücklich aber auch, um die Haushalte der »Leistungsträger« mit billigem Personal zu versorgen.

Günstige Auswirkungen auf die Beschäftigung wird der Kombilohn mit Sicherheit nicht haben - selbst bei den privaten Haushalten nicht. Für die gewerbliche Wirtschaft hingegen kann von vornherein ausgeschlossen werden, daß Lohnsubventionierung zu Mehreinstellungen führt. Alle Erfahrungen sprechen dagegen, auch wenn die vorherrschende Wirtschaftswissenschaft uns seit Jahrzehnten einhämmern will, daß die Beschäftigung bei sinkenden Lohnkosten steigt.

1992 betrug der Anteil der Lohnkosten je Einheit Bruttoinlandsprodukt 64,4 Prozent, er sank bis 2004 auf 61,0 Prozent. Folglich müßte die Zahl der Arbeitsstunden zugenommen haben. Tatsächlich aber ist die Beschäftigung gesunken: 1992 wurden 59,5 Milliarden Arbeitsstunden registriert, 2004 waren es noch 56,0 - ein Rückgang um 5,9 Prozent. Dieses Ergebnis ist logisch: Es zeigt, daß bei einem sinkenden Lohnanteil die Inlandsnachfrage sinkt. Das geht vor allem zu Lasten kleinerer Unternehmen, die nicht vom Export profitieren. Nicht die Kosten sind also das Problem, sondern der Mangel an Aufträgen. Gäbe es mehr Aufträge, dann würden die Unternehmen mehr Leute zu Tariflöhnen einstellen.

Statt diese Logik zu akzeptieren, soll nun mit Kombilöhnen eine weitere Lohnsenkungsrunde eingeleitet werden (s. Werner Dreibus in jW vom 3.1.2006.) Die Begründung dafür kann nur mythisch sein, denn warum sollte sich das bis dahin beobachtete Reaktionsmuster zwischen Beschäftigung und Lohnkosten nun in sein Gegenteil verkehren?

Ein niedriges Lohnniveau kann die allgemeine Auftragslage nicht verbessern, es wird keine Neueinstellungen geben. Es läßt sich auch nicht argumentieren, daß ein einzelnes Unternehmen nun seine Angebotspreise senken, damit den Absatz steigern und so mehr Leute beschäftigen kann. Würde der Preiswettbewerb auf breiter Front funktionieren, dann müßten sinkende (Lohn)Kosten zu sinkenden Preisen führen. Bleibt die nominale Höhe des Geldlohns dabei unverändert, dann steigt der Reallohn an. Wenn das so ist, hat es keinen Sinn die Löhne zu senken.

Was ist demnach das Ergebnis öffentlich subventionierter Löhne? Im wesentlichen werden die Gewinne subventioniert - Kombigewinn wäre die richtige Bezeichnung.

Gewerkschaftskritik: Ein Placebo

Die IG Metall hat Überlegungen der Bundesregierung zur Einführung von Kombilöhnen eine klare Absage erteilt. »Mit Blick auf die Anzahl der Arbeitsplätze würden sich Kombilöhne als arbeitsmarktpolitisches Placebo erweisen, mit Blick auf die öffentlichen Kassen hätten sie jedoch erhebliche negative Nebenwirkungen«, erklärte der Erste Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Peters, am Freitag in einer Pressemitteilung der Gewerkschaft in Frankfurt/Main.

Kombilöhne würden nicht zur Schaffung neuer, sondern vor allem zur milliardenschweren Subventionierung vorhandener Arbeitsplätze führen. »Kombilöhne provozieren geradezu Mitnahmeeffekte durch die Unternehmen. Damit wären ausufernden Zuschüssen für die Wirtschaft auf Kosten der Beitrags- und Steuerzahler Tür und Tor geöffnet«.

Peters forderte die Bundesregierung auf, paßgenaue Instrumente zu schaffen, um auf dem Arbeitsmarkt besonders benachteiligte Bevölkerungsgruppen gezielt zu unterstützen. »Wer heute mit 55 seinen Job verliert, muß in dieser Gesellschaft wieder eine Chance auf Erwerbsarbeit haben«, sagte der IG-Metall-Vorsitzende. Dafür müßte die Bundesregierung Lösungen anbieten. Neben der generellen Förderung von Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum wären Modelle öffentlich geförderter Beschäftigung der richtige Weg. »Wer Arbeitslosigkeit im Jahr 2006 spürbar senken will, muß auf eine Kombination aus Nachfragestärkung und öffentlich geförderter Beschäftigung setzen.«

junge Welt, 09. Januar 2006