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Gemeinsam gegen die neoliberale Großkoalition

Im Wortlaut,

Paolo Ferrero, Vorsitzender der italienischen Linkspartei Rifondazione, zur Protestbewegung Occupy Wall Street und den europaweiten Demonstrationen gegen die Bankenmafia

Mehr als 200 000 Menschen demonstrierten am 15. Oktober allein in Rom gegen die Bankenmacht. Was treibt die Italienerinnen und Italiener auf die Straße?

Paolo Ferrero: Der Grund der Proteste ist die Wut wegen einer sozialen und politischen Situation, die immer unerträglicher wird. Arbeitslosigkeit, Prekarität und soziale Ungleichheiten wachsen. Dadurch wachsen auch die soziale Unsicherheit und die Angst vor der Zukunft. Hinzu kommt, dass Berlusconi diskreditiert ist. Das einzige Ziel seiner Regierung besteht darin, den Sozialstaat und seine Errungenschaften zu kürzen, indem sie vor dem Diktat der EZB kapituliert.

Mit welchen politischen Forderungen beteiligt sich Rifondazione an den Protesten?

Für die Krise sollen diejenigen bezahlen, die sie verursacht haben, und diejenigen, die in den letzten Jahren reicher denn je geworden sind. Wir fordern deshalb eine Wende in der EU- und EZB-Politik, die die Spekulationen fördern. Die EZB soll die Staatsanleihen direkt von den Staaten kaufen und nicht auf den Finanzmärkten. Wir müssen verhindern, dass die EZB den Privatbanken Geld für 1,5 Prozent Zinsen zur Verfügung stellt und dass diese wiederum den Staaten Geld für den vierfachen Zinssatz verleihen. Wir müssen Leerverkäufe verbieten, Finanzspekulationen besteuern, Finanzoasen austrocknen. Wir wollen eine Umkehrung der Sparpolitik der EZB und der Europäischen Kommission, die die Finanzkrise noch weiter vertieft und den Finanzkapitalismus und dessen Spekulationen unterstützt. Der Sozialstaat soll nicht mehr gekürzt werden. Wir fordern eine Vermögensteuer, um die nötigen Finanzmittel aufzubringen, und eine Investitionspolitik für eine soziale und umweltfreundliche Konversion der Wirtschaft. Wir fordern Einschnitte beim Militäretat.

Die gewaltsamen Ausschreitungen einer verschwindend kleinen Randgruppe in Rom haben die Medienberichterstattung bestimmt. Wie will beispielsweise Rifondazione sicherstellen, dass bei künftigen Demonstrationen der friedliche Bürgerprotest nicht durch einige wenige Chaoten diskreditiert wird?

Leider haben ein paar Gewalttätige dazu beigetragen, dass eine solche großartige Demo gegen den Neoliberalismus von der rechten Regierung instrumentalisiert werden kann, um die Freiheitsrechte einzuschränken, demokratische Grundsätze anzugreifen und die soziale Probleme zu verbergen, die die Krise verursacht hat. Wir müssen nun darauf reagieren, indem wir noch gezielter diejenigen isolieren, die mit unnötigen Aktionen die Entwicklung einer anti-neoliberalen Massenbewegung gefährden, und daran arbeiten, die Bewegung vor Ort demokratisch, partizipativ und gewaltlos zu organisieren.

Der Vorsitzender der Linksfraktion im Europaparlament, Lothar Bisky, hat kürzlich in einem Interview viel mehr Kooperation in Europa gefordert. Wie bewerten Sie das mit Blick auf die Zusammenarbeit der Europäischen Linken im Kampf gegen die Finanzmafia?

Ich stimme Lothar Bisky völlig zu. Es ist notwendig, gemeinsame, wirksame Aktionen auf die Beine zu stellen, zusammen mit den europäischen linken Parteien. Die Europäische Linke muss ein Teil dieser neuen anti-neoliberalen Bewegung und in der Lage sein, eine politische Alternative zur neoliberalen Großkoalition, die sowohl Liberalen, die Volkspartei als auch Sozialisten einschließt – die Europa für den Finanzkapitalismus gegen die Bevölkerungen regieren.

Übersetzung: Paola Giaculli

linksfraktion.de, 23. Oktober 2011