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Gemeinsam aus der Wirtschaftskrise

Im Wortlaut von Werner Dreibus,

Herausforderung für Gewerkschaften und DIE LINKE

Von Werner Dreibus

Die Beschäftigten zahlen für die Krise, stellte der neu gewählte DGB-Chef Michael Sommer auf dem DGB-Bundeskongress fest und forderte, die Verursacher zur Kasse zu bitten. Doch über bestehende Kontroversen zur strategischen Ausrichtung der Gewerkschaften in der Wirtschaftskrise wurde kaum debattiert.

Der freundliche Empfang für die Bundeskanzlerin auf dem DGB-Kongress zeigte dagegen die Versuchung, sich in das alte Arrangement der politischen Einbindung, der Arbeitsteilung mit der SPD und eingespielten sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen mit den Arbeitgebern zurückfallen zu lassen. Mit den Regelungen zu Kurzarbeit, die auch integraler Bestandteil des Tarifabschlusses der IG Metall zu Beginn dieses Jahres waren, konnten Massenentlassungen - wenn auch mit Lohneinbußen - verhindert werden. Dies darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass das alte korporatistische Modell einseitig aufgekündigt wurde.

Die Regierung hat mit der Kurzarbeit die Festsetzung von Firmenchefs durch wütende Belegschaften und soziale Unruhen verhindert. Den Kurs, der die Wirtschaftskrise verursacht hat, behält sie jedoch bei. Anstatt den sozialen und ökologischen Umbau der Industrie voranzutreiben und die Binnennachfrage zu stärken, verschärft sie die Umverteilung von unten nach oben und versucht die Gewerkschaften in ihre rabiate Exportstrategie einzubinden, die mit niedrigen Löhnen im internationalen Wettbewerb verknüpft ist. Auch wenn einige Spitzengewerkschafter heute zurückhaltender auftreten, weil sie auf Krisenhilfe durch die Regierung hoffen, steht die Kernaufgabe der Gewerkschaften einer umfassenden Disziplinierung entgegen. Sie agieren in den Betrieben in einem Umfeld, das durch Konflikte geprägt ist und in dem sie die Interessen der Beschäftigten zu vertreten haben. Gewerkschaftsmitglieder und -funktionäre geraten notwendigerweise in harte Auseinandersetzungen. Der neue Krisenkorporatismus zwischen Gewerkschaften und Politik ist oberflächlich und prekär. Entlassungswellen und zunehmender Druck auf die weitere Absenkung der Löhne sind absehbar. Konflikte werden sich zuspitzen. Viele Gewerkschaftsmitglieder warnen vor Verhandlungen mit der Regierung, ohne die eigene Stärke auszubauen. Um die Defensive der Gewerkschaften zu überwinden, fordern sie eine neue strategische Ausrichtung.

Die LINKE war indirekt Schrittmacher dieser Strategiediskussion. Ihr politisches Profil ließ die Abkehr der SPD von den Beschäftigteninteressen umso deutlicher hervortreten. Dadurch stützte sie Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, die eine Abnabelung von der SPD forcierten, Gewerkschaftsarbeit politisierten und die gewerkschaftliche Kampfkraft stärkten.

Angesichts des Werbens von Regierung und SPD um die Gewerkschaften muss die LINKE deutlicher über die Repräsentation der Interessen der Beschäftigten in Parlament und Öffentlichkeit hinausgehen und in zunehmendem Maße Teil offensiver gesellschaftlicher Auseinandersetzungen werden. Kämpfe gegen Entlassungen und Lohnkürzungen, Auseinandersetzungen gegen kommunale Kürzungen oder den Umbau des Gesundheitssystems müssen vor Ort gemeinsam mit Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern geführt werden. Nur mit den gewerkschaftlich organisierten über sechs Millionen Beschäftigten können gesellschaftliche Veränderungen durchgesetzt werden.

Neues Deutschland, 20. Mai 2010