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Geldwäsche-Paradies Deutschland

Nachricht von Fabio De Masi,

Auswertung der Antwort der Bundesregierung vom 15.08.2018 auf die Kleine Anfrage „Geldwäsche­aufsicht und Vollzug von Anti-Geldwäscheregelungen" (Drucksache 19/3586) von Fabio De Masi und der Fraktion DIE LINKE im Bundestag.

Deutschland ist ein Paradies für Geldwäscher. Zuletzt stand insbesondere die dysfunktionale Zentralstelle für Geldwäscheverdachtsmeldungen (Financial Intelligence Unit, FIU) im Fokus, bei der sich seit dem Umzug von den Kriminalämtern zum Zoll im Sommer 2017 die Verdachtsmeldungen für Geldwäsche und Terrorfinanzierung unbearbeitet stapeln. Zuletzt kamen in diesem Zusammenhang auch Fälle ans Licht, die nahe legen, dass die Bundesregierung das Parlament über das Ausmaß des Chaos getäuscht hat.

Die Kleine Anfrage beleuchtet nun die gesamte Kette der Geldwäschebekämpfung und bringt neue Details über die Missstände bei der FIU zutage. So ist diese in nur 25 Fällen in einem Jahr überhaupt mit Sofortmaßnahmen tätig geworden. Überdies wird die unzureichende personelle Ausstattung und operative Schlagkraft der Aufsichtsbehörden deutlich. Sowohl die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die den Finanzsektor beaufsichtigt, als auch die unterschiedlichen Aufsichtsbehörden der Bundesländer für Verpflichtete nach dem Geldwäschegesetz des Nicht-Finanzsektors – bspw. Immobilienmakler, Notare, Wirtschaftsprüfer oder Spielhallen – führen kaum Kontrollen durch und verhängen, wenn überhaupt, nur sehr niedrige Bußgelder.

Auch das neu eingerichtete Transparenzregister wird durch Zahlen der Anfrage durchleuchtet. Hier sollen die wirtschaftlich Berechtigten, d.h. die tatsächlichen Eigentümer von Firmen, Stiftungen und Trusts registriert werden, um die Verschleierung von Finanzflüssen zu erschweren. Leider verfügt das Register noch über signifikante Lücken zu denen die Bundesregierung laut ihrer Antwort über keinerlei Daten verfügt. Überdies sind über 10 000 Eintragungen keine tatsächlichen Eigentümer, sondern Repräsentanten, möglicherweise Strohmänner.

Fabio De Masi, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag:

„Die schwache Geldwäscheaufsicht ist eine Bankrotterklärung des Staats vor der organisierten Kriminalität. Die Personalausstattung für den Nicht-Finanzsektor ist ein schlechter Witz, in der Hauptstadt sind es gerade einmal 1,5 Stellen. Dabei geht es um Hochrisikobereiche wie Immobilienmakler und Spielbuden. Es gibt kaum Kontrollen und noch weniger Bußgelder. Banken zahlen Strafen der BaFin aus der Portokasse und Prüfungen ausländischer Töchter deutscher Finanzinstitute in Schattenfinanzplätzen sind die absolute Ausnahme. Damit wird Terrorfinanzierung erleichtert und Deutschland bleibt Gangsters Paradise.

Finanzminister Scholz muss endlich liefern. Wir brauchen ein funktionstüchtiges Geldwäsche FBI in Deutschland, eine schlagkräftige Aufsicht, empfindliche Strafen bis hin zum Entzug der Geschäftslizenz und endlich umfassende Transparenz durch ein wirksames Transparenzregister sowie ein Immobilienregister.“

Ergebnisse im Einzelnen:

  • Die Bundesregierung bestätigt bisherige Schätzungen, nach denen das Geldwäsche-Volumen in Deutschland im Bereich von 100 Mrd. Euro jährlich liegt. Neue Zahlen werden für 2019 im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie für die Nationale Risikoanalyse (NRA) erwartet (Antwort 1).
  • Durch das Chaos bei der neuenFinancial Intelligence Unit (FIU) ist es zu einem massiven Rückstau bei der Bearbeitung von Geldwäscheverdachtsmeldungen und damit verbundenen Sicherheitsrisiken gekommen. Darüber hinaus ist aufgrund des Chaos aktuell eine simple Auflistung der eingegangenen Verdachtsmeldungen nach Absender und Bundesland nicht möglich (Antwort 2).
  • Bei ca. 70 000 Geldwäscheverdachtsmeldungen seit Start der FIU-neu Mitte 2017 hat die FIUlediglich in 25 Fällen Sofortmaßnahmen ergriffen, um verdächtige Transaktionen anzuhalten. Davon betrafen 10 Überweisungen ins Ausland (4 x EU, 4 x China, 1 x Türkei, 1 x Liechtenstein). Das Gesamtvolumen der (temporär) gestoppten Zahlungen beträgt gut 13,6 Mio. Euro. Die FIU untersucht nicht prioritär Zahlungen, die eine gewisse Höhe überschreiten (Antwort 3).
  • Die BaFin hat ihrerseits 2017 und 2018 keine Verfügung ausgesprochen, um Gelder wegen des Verdachts auf Terrorismusfinanzierung bzw. Zusammenhang zur organisierten Kriminalität anzuhalten (Antwort 4 – siehe auch Defizite im Kampf gegen OK allgemein in Antwort 19/3716).
  • Die Bundesregierung verfügt über keine Daten zuVermögensabschöpfungen bzw. -einziehungen im Zusammenhang mit Geldwäsche in Deutschland (Antwort 5). Trotz einer Gesetzesnovelle in 2017 scheint diese Waffe gegen Finanzkriminalität weniger scharf als in Ländern wie Italien, wo eine Beweislastumkehr herrscht, d.h. Verdächtige die legalen Quellen ihrer Vermögen darlegen müssen.
  • Deutschland verfügt über keine einheitlicheDefinition von Terrorismusfinanzierung mit Unterschieden im Kreditwesengesetz (KWG) und im Geldwäschegesetz (GWG). Dies kann zu Rechtsunsicherheit führen. Die Bundesregierung sieht hingegen keinen dringenden Handlungsbedarf (Antwort 6).
  • Zwischen 2008 und 2017 hat die BaFin in keinem Fall bei Beteiligungen im Finanzsektor, für deren Kontrolle sie als Finanzaufsicht zuständig ist, Maßnahmen wegen Verdacht auf Bezug zu Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung eingeleitet (Antwort 7).
  • Die Abhängigkeit der Prüfungen der Finanzwirtschaft durch die BaFin von privaten Wirtschaftsprüfungsunternehmen (insb. Big Four) inklusive damit einhergehender Interessenskonflikte geht zurück. Im Jahr 2018 wurden (bisher) erstmals alle Prüfungen von BaFin-Mitarbeitern durchgeführt (Antworten 8-11). Es bleibt zu klären, inwiefern weiterhin Defizite in der Prüfpraxis hinsichtlich der Regelmäßigkeit bzw. der nötigen Intensität bestehen. Nach wie vor sind bei der BaFin insgesamt nur 43,5 Stellen teilweise mit Sonderprüfungen beschäftigt.
  • Ausländische Tochterunternehmen deutscher Finanzinstitute werden von der BaFin nach wie vor nicht umfassend mitgeprüft. In mehr als 10 Jahren kam es nur zu Prüfungen bei insgesamt 14 solcher ausländischer Einheiten (Antwort 13). Auch kam es nicht zu Maßnahmen wegen Verstößen gegen group compliance Vorschriften (Antwort 22/23).
  • In den letzten 10 Jahren hat die BaFin 440 Ordnungswidrigkeitsverfahrenwegen Verstößen gegen geldwäscherechtliche Pflichten eingeleitet. Bis 2012 gab es kaum Verfahren, dann mehr zwischen 2013 und 2016 und zuletzt wieder niedrigere Werte (Antwort 16). 397 Verfahren wurden im gleichen Zeitraum abgeschlossen, die Mehrheit gegen Zahlungsdienstleister (Antwort 18). In 204 Fällen wurden Bußgelder verhängt, die aber im Regelfall ziemlich niedrig waren – bei Zahlungsdienstleistern die Hälfte unter 800€, bei Kreditinstituten die Hälfte unter 12 000 €. Nur in 2014 und 2016 wurden überhaupt einzelne Bußgelder in (niedriger) Millionenhöhe verhängt (Antwort 19). Es besteht das Risiko, dass Verstöße gegen Geldwäsche-Pflichten bei so niedrigen Strafen von Verpflichteten eingepreist und bewusst in Kauf genommen werden.
  • Sonstige Maßnahmen inklusive der Aufhebung der Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb, des Wider-rufs der Bestellung des Geldwäschebeauftragten und der Abberufung von Mitgliedern der Geschäftsführung von Verpflichteten hat die BaFin in den letzten 10 Jahren nur 4 Mal getroffen (Antwort 21).
  • Die geldwäscherechtliche Aufsicht über den Nicht-Finanzsektor ist weiterhin unzureichend aufgestellt. Exemplarisch sind in Berlin für die Aufsicht über den gesamten Sektor weniger als 1,5 Vollzeitstellen vorgesehen, in Hamburg 3,5 und in ganz Hessen 7. In anderen Bundesländern ist die Lage kaum besser. Institutionell ist die Aufsicht fragmentiert und die Bundesregierung verfügt über keine Information darüber, welche Stellen in welchem Bundesland welche Verpflichteten-Gruppe beaufsichtigt (Antwort 26). Dass im Nicht-Finanzsektor erhebliche Versäumnisse bei der Geldwäschebekämpfung bestehen, zeigen neben den regelmäßigen Meldungen über Probleme im Immobiliensektor auch die extrem niedrigen Zahlen an Verdachtsmeldungen (siehe FIU Berichte).
  • Vor-Ort-Kontrollen im Nicht-Finanzsektor finden nur sehr begrenzt statt (Antwort 28, Anlage 1). Bußgelder werden kaum verhängt (Antwort 29ff, Anlagen 2 & 3). Hier liefert die Antwort der Bundesregierung umfangreiches Datenmaterial.
  • Die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche steigt seit Jahren stark an. Allerdings werden mehr als zwei Drittel der Verfahren eingestellt (Antwort 33). Laut Ermittlern ist dies oft der Fall, weil die kriminellen Vortaten eindeutig nachgewiesen werden müssen und dies – gerade bei Auslandsbezug – oft schwer ist. Standards wie der OECD/FATF all crimes approach, die in anderen Ländern Anwendung finden, ermöglichen hingegen Anklage wegen Geldwäsche bei plausibler Vermutung einer kriminellen Herkunft von Geldern allgemein.
  • Die Zahl der Verurteilungen wegen Geldwäsche steigt hingegen nur sehr langsam an und die große Mehrheit der Urteile ergeht lediglich wegen leichtfertiger Geldwäsche. Verhängte Freiheitsstrafen sind in der Regel weniger als 1 Jahr und werden in nahezu allen Fällen zur Bewährung ausgesetzt (Antwort 35).
  • Die Personalstärke der Fachdienststellen für gemeinsame Finanzermittlungen von Zoll/Polizei bei den Landeskriminalämtern und dem BKA (GFGs) ist von 2008 bis 2016 um 25% erhöht worden und seitdem wieder um 10% gefallen (Antwort 36).
  • Bis Ende Juli 2018 wurden in das neue Transparenzregister 136 368 wirtschaftlich Berechtigte für insgesamt ca. 55 000 Rechtseinheiten eingetragen. Über 35 000 wirtschaftlich Berechtigte haben dabei ihren Wohnsitz im Ausland (Antwort 38). Gut 10 000 Eintragungen betreffen „fiktive“ wirtschaftliche Berechtigte wie Geschäftsführer etc. (Antwort 41).
  • Der Bundesregierung liegen keine Informationen über das Ausmaß der Umgehung der Registrierung im Transparenzregister vor, etwa bei Firmen, wo kein Anteilseigner 25% besitzt, oder wo durch eine Verkettung von ausländischen Gesellschaften die Mitteilungspflicht auf den wirtschaftlich Berechtigten selber über geht und mangels Sanktionen vermutlich oft nicht wahrgenommen wird (Antworten 40 & 42).
  • Relativ wenige Behörden haben das Transparenzregister bisher überhaupt genutzt (Antwort 45).
  • Mehr als die Hälfte der Anträge auf Einsichtnahme in das Transparenzregister durch die allgemeine Öffentlichkeit wurden abgelehnt (Antwort 46). Problem ist hier die notwendige sehr ausführliche Darlegung eines berechtigten Interesses an der Einsicht durch den Antragsteller.
  • Bußgelder bei falschen Angaben im Register sind minimal und wurden in kaum Fällen verhängt (Antwort 47). Dies liegt auch daran, dass Daten bisher kaum geprüft wurden (Antwort 44).

Antwort der Bundesregierung vom 15.08.2018 auf die Kleine Anfrage | Anlage 1 | Anlage 2 | Anlage 3