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Geheimdienstüberwachung: »legal, illegal, scheissegal!«

Im Wortlaut von Jan Korte,

Von Jan Korte, Leiter des Arbeitskreises V - Demokratie, Recht und Gesellschaftsentwicklung - der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag




Während ein US-Bundesgericht die millionenfache Datenüberwachung der NSA in den USA als offensichtlich verfassungswidrig bezeichnet, weil sie gegen den in der US-Verfassung verankerten Schutz vor unbegründeten Durchsuchungen verstoße, erfolgt für die Bundesregierung die staatliche Schnüffelei in vollkommen rechtskonformen Bahnen. Das überrascht umso mehr, weil auch sechseinhalb Monate nach den ersten Enthüllungen von Edward Snowden die Bundesregierung angeblich so gut wie keine eigenen Erkenntnisse über das Ausmaß der in- und ausländischen Geheimdienstaktivitäten besitzt. Anfragen der Opposition werden fast schon standardmäßig mit der Floskel "die Sachverhaltsaufklärung dauert an" beantwortet.
 

Nicht viel mehr als heiße Luft

Von Aufklärung kann aber genauso wenig wie von Maßnahmen zur Beendigung der Überwachung der Bevölkerung die Rede sein. Vom Acht-Punkte-Programm der Bundeskanzlerin vom 19. Juli ist nicht viel mehr als heiße Luft geblieben und der zentrale Punkt in der Auseinandersetzung mit den USA, bis Weihnachten einen Anti-Spionage-Vertrag zu vereinbaren, ist offenkundig gescheitert. Nach Angaben der New York Times soll die Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, Susan Rice, deutlich gemacht haben: "Die USA werden keinen Präzedenzfall schaffen." Lediglich das Handy der Bundeskanzlerin soll nicht mehr abgehört werden, alle anderen Bundesbürger und Bürgerinnen sind jedoch weiterhin im Visier der NSA.

Die Bundesregierung dementiert zwar den Abbruch der Verhandlungen, aber letztlich ist es auch ziemlich egal, ob diese nur ins Stocken geraten sind oder tatsächlich schon abgeblasen wurden. Dieser Vertrag war ohnehin nur ein Placebo für Öffentlichkeit und Politik und sollte ausschließlich der Beruhigung dienen und Aktivität vortäuschen. Jedem ist mittlerweile klar, dass sich US-Geheimdienste nicht durch freundliche Absichtserklärungen davon abhalten lassen, weltweit so viele Daten einzusaugen und zu verarbeiten wie sie können.

Daran werden ganz offensichtlich auch die Vorschläge der von US-Präsident Obama eingesetzten Expertenkommission zur Überprüfung der NSA-Praktiken nichts ändern. Das aus Geheimdienstveteranen bestehende fünfköpfige Gremium hatte kürzlich rund 40 Empfehlungen vorgelegt, die zu einer Reform der NSA führen sollen, die im Kern aber nur Regeln für ein "weiter so" beinhalten. Trotzdem wird der Präsident den Vorschlägen aber mehrheitlich offenbar nicht folgen. So hat er bereits entschieden, dass die Positionen des NSA-Direktors und des im Pentagon angesiedelten Kommandeurs für Cybersicherheit in einer Hand bleiben sollen und klargestellt, dass er der NSA nur Regeln zur Selbstbeschränkung vorschlagen will und diese betreffen in erster Linie die Bespitzlung von US-Bürgern innerhalb der USA. Für den Rest der Welt wird sich vermutlich nichts ändern.


Deutsche und ausländische Geheimdienste arbeiten zusammen

Das alles ficht die Bundesregierung überhaupt nicht an. In puncto Grundrechtsschutz verfährt die Bundesregierung schon länger nach dem alten Punkrockmotto "legal, illegal, scheissegal". Weiterhin regiert die grundrechtsgefährdende Mischung von völliger Ahnungslosigkeit und fehlendem Willen zur Aufklärung, von einer Änderung der bestehenden Überwachungsverhältnisse ganz zu schweigen. Denn nach wie vor hält die geheimdienstliche Zusammenarbeit zwischen deutschen und ausländischen Diensten auf allen Ebenen an. Ebenfalls unverändert ist das völlig intransparente Vorgehen der Bundesregierung, die über ihre Maßnahmen die Öffentlichkeit in Unkenntnis lässt. Wer Aufklärung will, ist nach wie vor auf die Enthüllungen in den Medien angewiesen.

Dass sich daran wohl auch in Zukunft nichts grundlegend ändern wird, zeigen die Personalien Andrea Voßhoff und Klaus-Dieter Fritsche: Während die Koalition mit Andrea Voßhoff ernsthaft eine Befürworterin der Vorratsdatenspeicherung, von Online-Durchsuchungen oder von Internetsperren zur obersten Datenschützerin der Bundesrepublik machen will, wird mit Klaus-Dieter Fritsche im Kanzleramt ein echter Hardliner Staatssekretär. Dass Fritsche sich für eine Eindämmung des Geheimdienstunwesens und für eine stärkere Kontrolle der Schlapphüte einsetzen wird, darf als ausgeschlossen gelten. Das Gegenteil wird der Fall sein.

linksfraktion.de, 19. Dezember 2013