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Geeignete Persönlichkeit

Im Wortlaut von Lothar Bisky,

Lothar Bisky rechnet mit Kurswechsel der SPD

"Linksparteichef Lothar Bisky glaubt an einen vorsichtigen Kurswechsel der SPD, wenn Matthias Platzeck das Ruder übernimmt. Dennoch geht er weiter von einer Großen Koalition aus. Mit Bisky sprach Ulrich Thiessen.

Erwarten Sie von einem Wechsel an der Spitze der Bundes-SPD eine neue Weichenstellung?
Matthias Platzeck ist wohl eine geeignete Persönlichkeit für dieses Amt. Wir haben ihn in Brandenburg als streitbar, durchsetzungsfähig und offen gegenüber den Fragen der Menschen erlebt. Er hat zudem den Vorteil, dass er von vielen unterschätzt werden wird. Was er inhaltlich machen will, ist für mich nicht erkennbar.

Sie haben die Debatten und Flügelkämpfe innerhalb der SPD in den letzten Monaten verfolgt. Mit welchem Ausgang rechnen Sie?
Die SPD wird um eine Weichenstellung nicht umhinkommen. Die Agenda 2010 ist eine wichtige Ursache für die letzten Wahlniederlagen der Partei. Wenn man diesen Kurs fortsetzt, wird man weiter Niederlagen ernten. Ich glaube nicht, dass die SPD auf ein "Weiter so" setzen kann.

Als politischer Konkurrent müssten Sie eher an einem weiteren Abwärtstrend der SPD interessiert sein.
Nicht immer profitiert man von den Fehlern anderer. Meine Politik ist es nicht, auf die Schwächen der anderen zu setzen. Die SPD hat jetzt eine Chance, die Dinge zu diskutieren und einen Kurswechsel vorzunehmen. Ich glaube Platzeck, wird diese Chance nicht links liegenlassen.

Sie haben Platzeck als offen gegenüber anderen bezeichnet. Erwarten Sie, dass sich mit ihm die Weigerung, auf Bundesebene mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten oder Koalitionen einzugehen, aufgegeben wird?
Es gab Gründe, warum die SPD gesagt hat, sie will nicht mit uns und wir eine Zusammenarbeit mit der SPD ausgeschlossen haben. Die waren inhaltlicher Natur: die Agenda 2010 und Hartz IV. Mit diesen Themen hat die SPD die Bundestagswahlen verloren. Ich gehe davon aus, dass dort jetzt eine Ursachendiskussion einsetzt. Danach kann sich eine andere Situation ergeben. Im Moment ist das Verhältnis zwischen beiden ziemlich festgezurrt.

Daran ändert auch ein Vorsitzender Platzeck nichts?
Ich rechne damit, dass Platzeck in der Lage ist, konzeptionell neu anzusetzen. Ich traue ihm zu, nach einer gründlichen Analyse neue Zeichen zu setzen. Nicht heute, nicht morgen, aber bald.

Rechnen Sie damit, dass die Große Koalition in Berlin überhaupt noch zustande kommt?
Davon gehe ich aus. Platzeck ist ja ein Anhänger einer Großen Koalition. Auch deshalb wird er von seiner Partei gewählt werden. Sie treten nächste Woche erneut für das Amt des Vizepräsidenten im Bundestag an.

Gibt es Signale, dass Sie dieses Mal eine Mehrheit dafür erhalten?
Ich hatte so viele Signale, dass ich beim ersten Mal ohne Gegenstimmen hätte gewählt werden müssen. Ich glaube nicht an Signale, ich glaube an Ergebnisse.

Märkische Oderzeitung, 03. November 2005"