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Gabriel ist »Mr. Heiße Luft«

Interview der Woche von Jan van Aken,

Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, über Rüstungsexporte unter Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), die bewaffneten Konflikte dieser Welt, die Leiden der Zivilbevölkerung und die Bedignungen von Friedenspolitik

 

Jan van Aken, mit Sigmar Gabriel haben Sie jetzt endlich mal einen richtigen "Mr. Peace" im Wirtschaftsministerium sitzen. Wie haben Sie es geschafft, dass der Minister sich als Erster in dieser Position gegen Rüstungsexporte stark macht?

Jan van Aken: Naja, im Moment ist Gabriel eher Mr. Heiße Luft als Mr. Peace, oder? Seit Anfang des Jahres ist er ganz groß im Ankündigen, aber tatsächlich hat er bislang nur ganz wenig umgesetzt. Bestes Beispiel ist ganz aktuell das Gefechtsübungszentrum, dass von Rheinmetall an Russland geliefert wird. Das Zentrum ist schon so gut wie fertig gebaut, das stoppt er jetzt. Aber andere Waffenlieferungen nach Russland gehen munter weiter – das ist halbherzig und verlogen. Nach Russland oder in die Ukraine sollten überhaupt keine Waffen mehr geliefert werden.

Was steht denn hinter Gabriels Äußerungen, wenn er, wie Sie sagen, nicht ernst macht? Will er sich profilieren gegenüber dem Koalitionspartner?

Schwer zu sagen. Es kann gut sein, dass Gabriel tatsächlich etwas an den immensen deutschen Rüstungsexporten ändern will, aus innerer Überzeugung oder aus wahltaktischen Gründen. Aber ob das ganz oben auf der Agenda steht, und er auch den Mumm hat, wirklich etwas zu verändern, weiß ich nicht. Dabei wäre es so einfach: Als ersten Schritt könnte er ein Exportverbot für Kleinwaffen durchsetzen, die sind ökonomisch gesehen total irrelevant, aber verantwortlich für die meisten Toten in den bewaffneten Konflikten dieser Welt.

Nach dem Absturz des malaysischen Flugzeugs über der Ukraine mutmaßten viele, dass die Maschine von prorussischen Aktivisten oder gar von der russischen Armee abgeschossen worden ist. Die EU hatte in dem Zusammenhang kritisiert, dass Frankreich und Großbritannien dennoch weiter Waffen an Russland liefern. Inwieweit sind Exportverbote auch Mittel der Außenpolitik?

Ich würde das trennen wollen. Ich bin kein Fan von Sanktionen, die sind eigentlich vor allem eskalierend und treffen oft die Zivilbevölkerung, tragen aber kaum dazu bei, eine politische Veränderung zu erwirken. Allerdings bin ich immer für einen Waffenexportstopp – egal wohin! Rüstungsexporte sind heute leider selbstverständlicher Teil deutscher Außenpolitik. Das muss sich ändern. Anstatt Exporte als politisches Druckmittel auszusetzen, sollten sie ohne Ausnahme gestoppt werden. Das wäre eine vernünftige Außenpolitik.

Ob Donezk, Gaza oder Homs und aller Propaganda zum Trotz: Am schlimmsten leidet in allen bewaffneten Konflikten die Zivilbevölkerung. Ein Ende der Konflikte ist immer noch nicht absehbar. Wie kann diesen Menschen geholfen werden?

Es ist notwendig, humanitäre Hilfe zu leisten, wo immer dies möglich ist, aber solange gekämpft wird, leiden die Menschen. Deshalb muss der erste und dringendste Schritt immer eine Waffenruhe und ein darauf folgender Waffenstillstand sein. Den müssen die Konfliktparteien aushandeln. Deutschland und die EU können und müssen helfen, indem sie jegliche Unterstützung für diejenigen beenden, die am Töten beteiligt sind. Also keine Waffen mehr in die Ukraine, nach Russland, nach Israel, Saudi Arabien und Katar liefern.

Deutschlands Stimme hat – vielleicht ja auch gerade weil hier die größten Rüstungsdeals laufen – doch auch Gewicht. Was erwarten Sie von der Bundesregierung in Sachen Friedenspolitik?

Nein, Deutschland hat kein Gewicht in der Welt, weil Deutschland so viele Waffen verkauft. Deutschland hat ökonomisches Gewicht und zehrt noch heute von dem guten Ruf,  bis zu den 1990er Jahren in der Welt militärische Zurückhaltung praktiziert zu haben. In Sachen Friedenspolitik könnte Deutschland viel tun und mit gutem Beispiel vorangehen. Ein Exportstopp für Kleinwaffen als erster Schritt hätte genauso enorme internationale Signalwirkung wie der massive finanzielle und personelle Ausbau der Kapazitäten für Krisenvorbeugung und gewaltfreie Konfliktbearbeitung.


linksfraktion.de, 4. August 2014