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»Fusion im Frühjahr ist unrealistisch«

Im Wortlaut von Klaus Ernst,

Vereinigung von Linkspartei und WASG nicht vor 2007 möglich. WASG-Politiker hat Verständnis für Unmut über Linkspartei in Berlin. Ein Gespräch mit Klaus Ernst

* Klaus Ernst ist Mitglied im geschäftsführenden Bundesvorstand der Partei »Arbeit und Soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative« (WASG). Er wurde am 18. September auf der Liste der Linkspartei in den Bundestag gewählt.

F: Die Führung der Linkspartei.PDS drückt seit der Wahl in Sachen Vereinigung mit der WASG ordentlich auf die Tube. Wann ist es soweit?

Wir haben immer gesagt und dies auch mit unserer Urabstimmung entschieden, daß wir Gespräche aufnehmen wollen und einen Zeitraum von zwei Jahren anpeilen. Das wäre also 2007. Der Prozeß soll von unten nach oben ablaufen, das heißt: Wir wollen nicht einfach der Basis etwas vorsetzen. So langsam wie nötig, so schnell wie möglich, lautet unsere Formel, aber bis 2007 wird es sicherlich dauern.

F: Also ist eine Fusion schon im Frühjahr 2006 nicht realistisch? In der PDS wird darüber nachgedacht.

Absolut unrealistisch.

F: PDS-Schatzmeister Uwe Hobler meint, eine Vereinigung könne nur so aussehen, daß die WASG in der Linkspartei.PDS aufgeht. Nur dürfe man dies so niemals politisch verkaufen. Wie sollte es also verkauft werden?

Über die Frage, wie wir es machen, haben wir noch nicht gesprochen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß wir die juristischen Möglichkeiten erörtern werden und dann diejenige aussuchen, die am demokratischsten ist.

F: Können Sie sich vorstellen, eine Koalition mit der SPD zu stützen wie jene in Berlin? Der dortige Senat drückt die Löhne und Gehälter in den Krankenhäusern und anderswo um bis zu 30 Prozent.

Zur Zeit kann ich mir überhaupt keine Koalition mit der SPD vorstellen. Alle anderen Parteien unterscheiden sich grundsätzlich von unserer Position. Aber wenn es nun ein Angebot von welcher Partei auch immer gäbe, einen Mindestlohn einzuführen, »Hartz IV« zurückzunehmen, die Soldatinnen und Soldaten aus Afghanistan zurückzuholen, sofort ein Zukunfts-investitionsprogramm aufzulegen, den Kündigungsschutz eher auszubauen als abzuschaffen, die Belastungen für die Rentner zurückzunehmen - dann wären wir bereit, in Gespräche zu gehen.

F: Nun gibt es aber bereits in Berlin eine Koalition mit der SPD, die sich u. a. durch den Ausstieg aus der Tarifgemeinschaft der Länder ausgezeichnet hat. Ist das in einer Partei, wie Sie Ihnen vorschwebt, in Zukunft noch denkbar?

Ich habe meine Bedingungen für die Bundesebene genannt, aber was in Berlin richtig ist, muß dort entschieden werden. Koalitionen kann es meiner Meinung nach nur unter klaren inhaltlichen Prämissen geben.

F: In Berlin hat man sich bereits entschieden. Nach der gegenwärtigen Beschlußlage will die dortige WASG bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus alleine antreten, weil man die Koalition der Linkspartei mit der SPD ablehnt. Haben Sie dafür Verständnis?

Ich habe Verständnis dafür, daß es Unmut über die Politik der Linkspartei in Berlin gibt. Trotzdem kommt es auf eine inhaltliche Klärung an, denn wir wollen schließlich ein gemeinsames neues Projekt. Ich gehe also davon aus, daß man sich verständigt und nicht gegeneinander antritt. Zum jetzigen Zeitpunkt sich ohne die inhaltliche Diskussion festzulegen, halte ich für falsch.

F: Sie sollen gesagt haben, man werde notfalls mit »sanfter Gewalt« dafür sorgen, daß nicht gegeneinander kandidiert wird.

Das Zitat ist absolut falsch. Es geht um Gespräche, die geführt werden müssen, nicht um Gewalt.

F: Hat es Sie gestört, daß die Linkspartei.PDS sich in ihrem Wahlprogramm vorsichtig von der Forderung nach vollem Lohnausgleich bei Arbeitszeitverkürzung verabschiedet hat?

An dem einen oder anderen Punkt werden Sie feststellen, daß das Wahlprogramm der Linkspartei von dem Programm der WASG abweicht. Wir sind verschiedene Parteien und müssen uns über manches inhaltlich verständigen. Aber aus der gewerkschaftlichen Praxis kann ich Ihnen versichern, daß Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich nichts Ungewöhnliches mehr ist. Wenn ein Jobverlust droht und wir eine Vereinbarung abschließen können, die die Arbeitsplätze sichert - dann ist es auf jeden Fall sinnvoll, wenn dafür zwei Stunden weniger und zu einem niedrigeren Lohn gearbeitet wird.

junge Welt, 10. Oktober 2005