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Für eine sanktionsfreie Mindestsicherung

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Die Bundesagentur für Arbeit (BA) meldete neulich einen Rekord. Noch nie verhängten die Jobcenter so viele Sanktionen gegen Beziehende von Hartz IV wie im Jahr 2011. 912.377 Fälle waren es insgesamt. Im Vergleich zum Vorjahr mit 829.375 Fällen bedeutet das eine Steigerung um fast zehn Prozent. "Die Sanktionen im Hartz IV-System sind verfassungswidrig", sagt Katja Kipping. Deshalb müssten Sanktionen umgehend abgeschafft werden. "Jede Leistungskürzung verletzt das Grundrecht des Betroffenen auf Existenzsicherung und gesellschaftliche Teilhabe", so Katja Kipping.

  Sanktionen verhängen die Jobcenter, wenn Erwerbslose einen Termin verpassen, eine angebotene Arbeit ausschlagen oder gegen die sogenannte Wiedereingliederungsvereinbarung verstoßen. In den meisten Fällen (582.253) war ein versäumter Termin oder eine nicht eingehaltene Frist der Grund. 147.435 Betroffene sollen gegen die Eingliederungs-vereinbarungen verstoßen haben. Insbesondere jüngere Hartz-IV-Bezieher werden häufiger bestraft als ältere. 11,4 Prozent der erwerbsfähigen unter 25-Jährigen wurden sanktioniert. Die Quote für ältere Personen bis 65 Jahre liegt bei 4,5 Prozent. Männer sind doppelt so oft von Sanktionen betroffen wie Frauen. Im Schnitt sind laut Bundesagentur die Bezüge um rund 116 Euro pro Monat gesenkt worden.    Den erneuten Anstieg der Sanktionen erklärte die Bundesagentur für Arbeit mit der guten Konjunktur, weshalb die Jobcenter mehr Angebote machen könnten. Deswegen sei die Zahl derjenigen gestiegen, die wegen Verweigerung einer Arbeitsaufnahme Kürzungen der Leistungen hätten hinnehmen müssen. Tatsächlich gehen lediglich rund 15 Prozent der ausgesprochenen Sanktionen des Jahres 2011 darauf zurück, dass sich 138.312 Betroffene weigerten, eine Arbeit oder eine Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme aufzunehmen – wobei diese Zahl nichts darüber aussagt, ob die Betroffenen das nicht mit gutem Recht taten. Aus Sicht von Katja Kipping zwingen Sanktionsandrohungen die Betroffenen, "schlecht bezahlte Jobs anzunehmen und den Beschäftigten durch Lohndumping in den Rücken zu fallen".
Anspruch auf Existenzminimum   Ob Sanktionen überhaupt rechtmäßig sind, steht spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 infrage. Das Gericht machte damals deutlich, dass es einen Anspruch auf ein Existenzminimum gibt, das durch den Regelsatz, die Kosten der Unterkunft und weitere Leistungen gesichert wird. Im Umkehrschluss bliebe dann grundsätzlich kein Raum für Sanktionen.    Das Gericht leitete das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG her. Wolfgang Nešković sagt, es sei damit "unverfügbar": "Unverfügbar bedeutet, dass weder der Einzelne dieses Recht weggeben, noch der Staat es nehmen kann. Das menschenwürdige Existenzminimum eines Jeden ist unantastbar.“    Doch selbst die gängige Sanktionspraxis hält selten einem Widerspruch oder einer rechtlichen Überprüfung stand: "Im Jahr 2011 waren rund 42 Prozent der Widersprüche gegen Sanktionen und rund 52 Prozent der Klagen vor Sozialgerichten für die Betroffenen ganz oder zumindest teilweise erfolgreich. Es wird also auch massenhaft rechtswidrig sanktioniert", stellt Katja Kipping fest.    DIE LINKE opponiert am 26. April 2012 mit einem Antrag gegen jegliche Sanktionen und Leistungskürzungen - sowohl bei Hartz IV als auch bei der Sozialhilfe. Sie sollen sofort abgeschafft werden. "Hartz IV ist durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung zu ersetzen, die wirklich die Existenz und gesellschaftliche Teilhabe sichert", so Katja Kipping. Außerdem wird ein Antrag gegen die diskriminierenden Sonderregelungen bei jungen Erwachsenen eingebracht.