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Für ein starkes und sicheres Gesundheits- und Sozialsystem der Zukunft

Im Wortlaut von Susanne Ferschl,

Mitte vergangener Woche hat der Bundestag mehrere Gesetzespakete mit zahlreichen Maßnahmen verabschiedet, die die wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Risiken der Corona-Pandemie abfedern sollen. Das ging in Rekordgeschwindigkeit vonstatten und hat eine breite Diskussion über die Rolle und die Handlungsfähigkeit des Staates in Gang gesetzt: Was darf der Staat? Was darf er nicht? Was muss er vielleicht sogar tun? Ist ein "starker Staat" wünschenswert? – Die Frage kann nicht einfach mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden, denn es kommt darauf an, in welchem Bereich staatlicher Politik er seine Muskeln spielen lässt.

Eine Beschränkung von Freiheitsrechten darf – wenn überhaupt – immer nur Ausnahme sein; eine Stärkung der Daseinsvorsorge, insbesondere im Gesundheitssektor, ist unbedingt notwendig. Das hat diese Krise bereits jetzt überdeutlich gezeigt. Eine Einschränkung von individuellen Freiheitsrechten, wie sie derzeit zum Beispiel in Form von Ausgangsbeschränkungen besteht, muss immer besonders intensiv begründet werden. Denn hier sind grundgesetzlich verbriefte Rechte wie beispielsweise das Versammlungsrecht und das Demonstrationsrecht betroffen. Für eine linke Partei ist das ein schwerer Brocken, denn Widerstand muss sich natürlich auch auf der Straße artikulieren lassen. Auch deshalb müssen solche Beschränkungen von Freiheitsrechten zwingend der parlamentarischen Kontrolle unterstellt sein. Es kann nicht sein, dass sich die Regierung hier selbst zum Eingriff ermächtigen kann. Deswegen ist es gut, dass Oppositionsarbeit auch in Krisenzeiten funktioniert. Die Debatte um die Beschränkung von Freiheitsrechten ist allerdings noch nicht durchgestanden: Die aktuelle Diskussion um eine automatische Handydatenerfassung zeigt das überdeutlich.  

Ein „starker Staat“ ist aber weniger bei autoritären Gedankenspielen zum Ausbau der Überwachung und zur Beschränkung von Freiheitsrechten gefragt, sondern vielmehr bei sozialen Grundrechten und einer vorausschauenden Daseinsvorsorge. Nach Jahrzehnten neoliberaler Sparpolitik und Privatisierung ist hier wirklich viel zu tun.

Trotz positiver Ansätze bleiben die verabschiedeten Gesetzespakete weit hinter dem zurück, was notwendig ist. Es gibt zwar kleinere Verbesserungen wie den erleichterten Zugang zum Hartz IV-System im verabschiedeten Sozialschutz-Paket. Nichtsdestotrotz gibt es für Millionen Beschäftigte und Selbstständige aber eben weiterhin nur Hartz IV, wenn das Kurzarbeitergeld nicht reicht oder bereits Arbeitslosigkeit da ist. Kleine Selbstständige können auf ein paar tausend Euro hoffen, um die laufenden Kosten zu decken. Das reicht aber nicht aus – zumal die Regierung für Großunternehmen unbegrenzte Kredite in Aussicht stellt.   

Ein ähnliches Bild zeigt sich im Krankenhausfinanzierungsgesetz. Die Regierung stellt zwar Milliarden für die Krankenhäuser bereit, damit diese ohne Verluste nicht notwendige Operationen absagen und stattdessen Betten für Corona-Patienten freihalten können. Sie hält aber zugleich am Wettbewerb zwischen den Kliniken und dem System der Fallpauschalen fest. Dabei sind die Fallpauschalen aber eine wesentliche Ursache für den heutigen Pflegenotstand und die desolate Situation in den Kliniken. Sinnvoll wäre daher, dieses System der Fallpauschalen ganz abzuschaffen und den Kliniken stattdessen ein kostendeckendes Budget zuzuweisen. Das Gesundheitssystem muss dem privaten Gewinnstreben auf Kosten von Pflegekräften, Patienten und der Gesellschaft insgesamt entzogen und wieder gemeinwohlorientiert ausgestaltet und ausfinanziert werden. Das ist die vielleicht wichtigste Schlussfolgerung aus dieser Krise.

So wichtig es ist, jetzt schnell zu handeln, um eine Ausbreitung der Pandemie zu verhindern und den Menschen unbürokratisch zu helfen, so zentral ist es, die Weichen für die Zukunft politisch umzustellen: für eine verlässliche und sichere Daseinsvorsorge, gute sowie tarifgebundene Arbeit für Alle und einen starken Sozialstaat, der den erworbenen Lebenstandard und zugleich wirksam vor Armut schützt. Diese entscheidende Diskussion um die Zukunft des Sozialstaates wird DIE LINKE nach durchstandener Krise in aller Schärfe wieder aufgreifen.

Denn klar ist: Ein vorsorgender Sozialstaat, der nicht auf Kante genäht ist, ist krisenfester, minimiert die Gefährdung der Gesundheit und des Lebens der Bürger*innen und macht den Rückgriff auf autoritäre Notstandsmaßnahmen auch in Krisensituationen weit weniger notwendig bis überflüssig.