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Friede den Hütten, Paläste für alle

Nachricht von Caren Lay,

Das Bild steht für sich: Mehr als 150 Engagierte ließen auf der pompösen Hamburger Rathaustreppe den Miethai mit seinen Kündigungen, Zwangsräumungen und Mieterhöhungen unter einem Deckel verschwinden. „Mietendeckel jetzt!“ stand auf Schildern. Hamburg will ihn, überall wird er gebraucht, in Berlin wird konkret an ihm gearbeitet. Beim 5. Mietenpolitischen Ratschlag der Fraktionen der LINKEN im Bundestag und in der Hamburgischen Bürgerschaft war der Mietendeckel eines der bestimmenden Themen. Außerdem ging es um Spekulation, Geldwäsche und Enteignung, um Klimagerechtigkeit beim Wohnen und den Kampf gegen die Wohnungslosigkeit.


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„Friede den Hütten, Paläste für alle, wir als LINKE fangen heute damit an“, begrüßte Caren Lay, stellvertretende Vorsitzende und mietenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE zu Beginn des Ratschlages am vergangen Samstag (28.09.) die Gäste. Vor der herrschaftlichen Kulisse des Hamburger Rathauses, unter Deckengemälden, düsteren Ratsherrenportraits und vor lederbespannten Tapeten ging es um eine Wohnungspolitik für die Vielen, auf deren Rücken Immobilienboom und Mietenwahnsinn ausgetragen werden.

Hamburg gilt vielen in der Wohnungspolitik als vorbildlich. Doch diese Wohnungspolitik, so Heike Sudmann, stellvertretende Vorsitzende und wohnungspolitische Sprecherin der Hamburger Linksfraktion, bediene zuerst die Interessen der Eigentümer*innen und Investor*innen. „Fordern Sie niemals den Drittelmix“, die Vorgabe, bei Neubauten ein Drittel Eigentum, ein Drittel freifinanzierte und ein Drittel Sozialwohnungen zu bauen, die als Hamburger Aushängeschild geht. Denn damit gehe zwei Drittel des Wohnungsbaus in einer Stadt, in der die Hälfte der Haushalte Anspruch auf eine Sozialwohnung habe, vollkommen am Bedarf vorbei. Mit der „Bauen, bauen, bauen“-Politik habe die Hamburger SPD-Regierung versagt. „Weg mit den Nieten und runter mit den Mieten“, sei deshalb die Forderung der Stunde.

Alle Macht den (Mieter*innen-)Räten!

Der Schlüssel zur Veränderung liegt bei den Mieter*innen selbst. Das Auftaktpodium diskutierte deshalb die Frage, wie Mieter*innen, die sich zusammenschließen und gegen ungerechte Mieterhöhungen, gegen das Herausmodernisieren oder gegen den Verkauf ihrer Häuser an Investor*innen wehren, mit gemeinsamen Rechten und Mitbestimmungsmöglichkeiten ausgestatten werden könnten. Schon jetzt, so Dr. Rolf Bosse vom Mieterverein zu Hamburg, seien Mieter*innen erfolgreicher, wenn sie ihre bestehenden Rechte gemeinsam wahrnähmen. Für kollektive Mieterrechte sollten wir jedoch einen Blick nach Schweden wagen, wo die Miethöhen gewerkschaftlich ausgehandelt werden. Es gehe, so Marie Schubenz, Sprecherin eines selbstorganisierten Mieterrats in Berlin-Kreuzberg, um die solidarische Gestaltung der Häuser, der Nachbarschaften, der Stadt. Diese Demokratisierung des Wohnens, so Achim Sommer vom Berliner Bündnis „Kommunal und selbstverwaltet Wohnen“, müsse auch gegen die großen Wohnungskonzerne durchgesetzt werden.

In drei Workshops wurden anschließend aktuelle Lösungsvorschläge für die Wohnungskrise diskutiert. Dazu gehörten die Enteignung eben jener großen, börsennotierten Wohnungskonzerne, die erst durch die Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände und die Verwandlung von Wohnungen in Finanzanlagen entstanden seien. Doch auch Geldwäsche sei ein großes Problem. 139 Milliarden Euro seien in den vergangenen zehn Jahren aus illegalen Quellen in die Grundstücksspekulation in Deutschland geflossen, so Fabio De Masi, stellvertretender Vorsitzender und finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag. Doch auch der Neubau ist ein einträgliches Spekulationsgeschäft, das zunehmend in der Hand finanzmarktorientierter Projektentwickler liegt. Transparenz in der Eigentumsfrage, eine neue Bodenpolitik und eine Neue Wohnungsgemeinnützigkeit wurden als weitere Antworten auf die massive Immobilienspekulation diskutiert.

Wiener Modell für Klimagerechtigkeit

Dass Wien in vieler Hinsicht beispielhaft ist, hat der Workshop „Mit Klimaschutz gegen den Mietenwahnsinn?“ gezeigt. Dank gesetzlicher Vorgaben und einer massiven Wohnbauförderung sei die warmmietenneutrale Sanierung, also der Klimaschutz ohne Mieterhöhung, im kommunalen und gemeinnützigen Wohnungsbau gang und gäbe, so Lukas Tockner von der Arbeiterkammer Wien. Die Klimaschutzziele im österreichischen Gebäudesektor würden sogar übererfüllt. Davon, das zeigte der Bericht der Mieterinitiative Hamburg-Steilshoop deutlich, ist man hierzulande noch weit entfernt. Nach mehr als 40 Jahren ohne Instandhaltungen haben dort schlecht gemachte Modernisierungen die Miete um 40 Prozent erhöht und zugleich die Lebensqualität massiv verschlechtert. Wie es anders gehen kann, zeigten die von Paula Brandmeyer vorgestellten Vorschläge der Deutschen Umwelthilfe. Auch die von Lorenz Gösta Beutin, klimapolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE, vorgestellten Eckpunkte eines LINKEN Aktionsplans Klimagerechtigkeit fanden viel Zustimmung.

Der dritte Workshop diskutierte Mittel gegen die Wohnungslosigkeit, die gerade in den letzten Jahren skandalöse Ausmaße angenommen hat. Matthias Sell, seit über zwanzig Jahren Verkäufer der Straßenzeitung Hinz und Kunzt, Andrea Hniopek von der Hamburger Caritas und Cansu Özdemir, Fraktionsvorsitzende und sozialpolitischer Sprecherin der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, zeigten eindrücklich, dass die Unterstützung für wohnungslose Menschen, darunter gerade auch für Frauen und für nicht-deutsche Betroffene, erheblich verbessert werden müssten. Doch vor allem fehlte es an Wohnungen, die im von Corinna Müncho und Sebastian Böwe vorgestellten Berliner Modellprojekt „Housing first“ den Ausgangspunkt für die Wohnungslosenhilfe darstellen. In einer lebhaften und sehr informierten Diskussion reifte die Erkenntnis, dass die Zustände nicht nur verwaltet, sondern aktiv und grundsätzlich verändert werden müssten. Dafür allerdings brauche es Öffentlichkeit und außerparlamentarischen Druck.

Den Beutezug durch unsere Städte stoppen

Am Schluss des Tages standen dann der Mietendeckel und die Forderung nach Enteignung im Mittelpunkt. Der Mietendeckel wird kommen, da ist sich Andrej Holm, Stadtforscher an der Humboldt-Universität zu Berlin, sicher. Seine neue Qualität liege darin, dass er ein Instrument zur Umverteilung sei. Die Drohung mit Investitionsstreik sei eine übliche Antwort der Immobilienwirtschaft, deren Vetorecht gegen Regulierungen jetzt aber erstmals deutlich in Frage gestellt werde. Auch sei der Mietendeckel keine Gefahr für die Forderung nach Vergesellschaftung, so Rouzbeh Taheri, Sprecher der Berliner Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen, im Gegenteil: Wenn der Mietendeckel umgesetzt werden könne, sei auch die Enteignung möglich.

Die große Beteiligung von Mieter*innen, Initiativen, Kommunalpolitiker*innen und Expert*innen, die kenntnisreichen Diskussionen und die vielen Lösungsvorschläge bei diesem Mietenpolitischen Ratschlag waren ein starkes Signal dafür, dass die Zeit für eine Kehrtwende in der Wohnungspolitik gekommen ist. Die vornehmste Aufgabe LINKER Wohnungspolitik sei es, so Caren Lay zum Abschluss, den Beutezug durch unsere Städte zu stoppen. Wohnen ist ein Grundrecht, ergänzte Heike Sudmann, „und Grundrechte dürfen nicht arm machen“.