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Flüchtlingskrise: Die hausgemachte Katastrophe

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

Von Sevim Dagdelen, migrations- und integrationspolitische Sprecherin der Fraktion

 

Der Umgang der Europäischen Union mit Flüchtlingen ist zunehmend geprägt von einer unerträglichen Menschenverachtung, Doppelmoral und Zynismus. Mittlerweile existieren bei den politisch Verantwortlichen - nicht nur in Ungarn, sondern auch in Deutschland - offenbar keinerlei Tabus mehr, um mit aller Macht zu verhindern, dass es Flüchtlingen gelingen könnte, in der EU ihre Grundrechte wahrzunehmen und Asyl zu beantragen.

So lässt die Bundesregierung die Bundespolizei seit vergangenen Sonntag an der deutsch-österreichischen Grenze wieder unbefristete Kontrollen durchführen. Fortan soll die Einreise nur noch mit gültigen Reisedokumenten möglich sein.

Diese Maßnahme richtet sich vor allem gegen die Flüchtlinge, die sich derzeit auf der sogenannten Balkanroute befinden, um vor Unterdrückung, Folter, Krieg und Tod zu flüchten und Asyl in der Bundesrepublik oder auch in Schweden zu erhalten.

Insgesamt schottet sich die EU gegenüber den verzweifelten Menschen immer stärker ab

Gerade die osteuropäischen rechtsgerichteten Regierungen in Ungarn, der Slowakei, Polen und den baltischen Staaten bilden die Vorreiterrolle bei dieser neuen Menschenfeindlichkeit.

Unter Bruch der Europäischen Charta der Menschenrechte entsteht ein neuer Eiserner Vorhang in Europa. Flüchtlinge nicht die Fluchtursachen werden bekämpft. Ganz im Gegenteil: man ist auf dem besten Wege neue Fluchtbewegungen auszulösen.

Wie bereits die Bundesregierungen der letzten Jahren, egal ob unter Beteiligung von CDU/CSU, FDP, SPD oder Bündnis 90/Die Grünen, ist auch die aktuelle an Interventionskriegen und der „Regime- Change"-Politik direkt beteiligt oder unterstützt solche zumindest indirekt. Das Ergebnis dieser völkerrechtswidrigen Politik ist tagtäglich zu beobachten.

So kommen die meisten Flüchtlinge aus Afghanistan, Irak und Syrien, also aus den Ländern, die von der NATO und den USA entweder mit Angriffskriegen überzogen, oder mithilfe von gesponserten islamistischen Terrorbanden destabilisiert wurden.

Eine Abkehr von dieser katastrophalen Politik ist nicht in Sicht

Frankreich kündigte jüngst an, IS-Stellungen auch in Syrien zu bombardieren, aber zugleich am Ziel des Sturzes des syrischen Präsidenten Assads festhalten zu wollen. Der Leiter des regierungsnahen NATO-Think Tanks „Münchener Sicherheitskonferenz", Wolfgang Ischinger, forderte gar den Einsatz der Bundeswehr in Syrien und die Einrichtung von Flugverbotszonen; angeblich um Flüchtlinge zu schützen.

Doch vorderstes Ziel ist ganz offenkundig weiterhin der Sturz des syrischen Präsidenten Assads und nicht die Bewältigung der Krise. Jüngste Umfragen, die darauf hindeuten, dass die Regierung Assads gerade wegen des Terrors des IS über einen nicht zu unterschätzenden Rückhalt in der syrischen Bevölkerung verfügt, werden schlicht ignoriert. So ziehen laut Washington Post vom 15. September 79 Prozent das „Vorkriegs-Syrien" unter Assad der heutigen Situation vor.

Es müssen die Fluchtursachen bekämpft werden: hier wie da

Die Bundesregierung muss sich ihrer Verantwortung an der menschenunwürdigen Situation der Flüchtlinge endlich stellen und umgehend für den Schutz der Opfer ihrer Politik sorgen. Wer statt die Grenzen zu öffnen, Grenzen schließt, nimmt den Tod von Tausenden Menschen billigend in Kauf und macht sich somit der fahrlässigen Tötung schuldig.

Insofern muss die sich zynischer Weise selbst als „Wertegemeinschaft" bezeichnende Europäische Union ihre tödliche Abschottungspolitik endlich einstellen. Die Bundesregierung sollte hierauf endlich ihr ganzes politisches Gewicht verwenden.

Sie sollte darüber hinaus aber auch sofort jedweden Waffen- und Rüstungsexport stoppen und die Bundeswehr aus jedweden Auslandseinsätzen abziehen sowie ein Ende der völkerrechtswidrigen „Regime-Change"-Politik etwa in Bezug auf Syrien unterstützen. Es braucht eine Wende zu einer friedlichen Außenpolitik in Deutschland, sonst wird man die Verantwortung mit tragen, dass noch mehr Menschen ihre Heimat verlassen müssen.

Huffington Post, 16. September 2015