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Fachkräftemangel? Übernahme!

Kolumne von Agnes Alpers,

Von Agnes Alpers, Sprecherin für Berufliche Aus- und Weiterbildungspolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

 

Nie hatten es junge Menschen in Deutschland leichter. Eine gute Ausbildung und eine gute berufliche Perspektive – alles kein Problem, wenn die Qualifikationen stimmen, dem Fachkräftemangel sei Dank. Denn kaum entspannt sich die Lage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, klagen viele Betriebe über fehlende Fachkräfte und qualifizierten Nachwuchs. Wirtschaftsnahe Forschungsinstitute schätzen den zukünftigen Bedarf am Arbeitsmarkt auf drei bis fünf Millionen gut ausgebildeter Arbeitskräfte, Tendenz steigend. Goldene Zeiten mit Beschäftigungschancen für alle, könnte man meinen. Wäre da nicht die Realität. Und die sieht so aus, dass deutschlandweit über 300.000 Schulabgängerinnen und Schulabgänger keinen Ausbildungsvertrag bekommen, im Bundesland Bremen sind es sogar bis zu 50 Prozent. In das allgemeine Gejammer um fehlenden Nachwuchs passt das wohl kaum.

Und wie stehen die Chancen für Jugendliche, die eine Ausbildung absolviert haben, übernommen zu werden? Dazu hat die DGB-Jugend rund 1500 Auszubildende befragt: Die Ergebnisse sind mehr als ernüchternd. Weit weniger als die Hälfte aller Befragten (43 Prozent) hat im letzten Jahr der Ausbildung eine Zusage, dass sie übernommen werden. Jede/r vierte Befragte hingegen weiß sicher, dass für sie/ihn im Betrieb nach der Ausbildung Schluss ist. Eine gute berufliche Perspektive sieht anders aus. Und die Lebensplanung zu gestalten, das muss warten.

Es ist erstaunlich, dass sich die Betriebe so etwas leisten können. Sie klagen über fehlendes qualifiziertes Personal und lassen gleichzeitig den Nachwuchs im Unklaren. Dabei wäre es an der Zeit, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Mit einer vollwertigen Ausbildung und guter Bezahlung, aber auch mit Übernahme in unbefristete Vollzeitstellen. Doch scheint bei all dem Gerede um den Fachkräftemangel eine nachhaltige Personalplanung für die Betriebe weiterhin keine Priorität zu genießen. Denn insgesamt dürfen sich nur 17 Prozent aller Auszubildenden, die vom DGB befragt wurden, über eine unbefristete Anstellung freuen. Auf fehlende Fachkräfte oder gar Nachwuchssorgen kann bei diesen Zahlen nicht geschlossen werden.

Wer also hat Schwierigkeiten, junge Leute zu rekrutieren? Dazu befeuerte im letzten Jahr eine Zahl die Debatte: 30.000! So viele Ausbildungsstellen blieben deutschlandweit unbesetzt, meldete die Bundesagentur für Arbeit. In der Tat, erfreulich ist das nicht. Doch die Zahl lässt sich leicht erklären. Viele unbesetzte Stellen meldeten das Hotel- und Gaststättengewerbe, das Lebensmittelhandwerk, aber auch Fleischer, Köche, Bäcker.  Für diese Branchen gilt oft: Ausbeutung statt Ausbildung. Denn Arbeitgeber halten sich dort häufig nicht an Tarifverträge oder gesetzliche Vorgaben – schlechte Bezahlung und viele Überstunden sind nur zwei von vielen Beispielen dieser Billigheimerstrategie. Kein Wunder, dass junge Menschen das Weite suchen und ihre Ausbildung vorzeitig abbrechen. Unter den Restaurantfachfrauen und -männern sowie den Köchinnen und Köchen tun dies annähernd 50 Prozent.   

 Qualifiziertes Personal würde in diesem Maße aber nicht fehlen, wenn Jugendliche gute Bedingungen und klare Perspektiven vorfinden. Dazu muss nachhaltig in Ausbildung investiert werden. Doch viele Betriebe werden ihrer Verantwortung nicht gerecht. Und der Staat macht munter mit.  Ein Beispiel sind die vom Bund finanzierten Weiterbildungsmaßnahmen zur Altenpflegerin/zum Altenpfleger. Diese Maßnahmen wurden bisher über die volle Länge von drei Jahren finanziert. Nun  wurde die zunächst befristete Finanzierung des dritten Jahres nicht verlängert  und „Dritte“, in erster Linie die Bundesländer,  sollen dafür aufkommen. Die können es nicht, aufgrund klammer Kassen. Und andere „Dritte“ sind nicht in Sicht. Das heißt, die Finanzierung ist nicht gesichert – und das in einem Bereich, in dem viele Fachkräfte fehlen. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass das Gehalt einer gut ausgebildeten Pflegekraft nach der Ausbildung gerade mal über dem Hartz IV-Satz liegt, weiß man wie die Uhr tickt: Billig ausbilden, schlecht bezahlen und dann darüber jammern, dass nicht genügend Menschen in der Pflege arbeiten wollen.

Die Rechnung der Regierung ist immer noch die gleiche: Kosten privatisieren, keine Verantwortung für Ausbildung übernehmen und die Probleme dann auf andere abwälzen. Und all diejenigen, die über den Fachkräftemangel am lautesten jammern, sind im Kern die, die uns immer tiefer in die Misere reinreiten, statt Zukunft für alle zu gestalten.

Soll dem Fachkräftemangel, der in einigen Regionen und Branchen, keinesfalls aber flächendeckend vorhanden ist, wirklich entgegentreten werden, muss das Recht auf Ausbildung, und zwar auf eine qualitativ hochwertige, umgesetzt sowie die Ausbildungsumlage eingeführt werden. Nach der Ausbildung müssen junge Menschen in unbefristete Vollzeitstellen übernommen werden. Gleichzeitig müssen Mindestlöhne her, damit Menschen von ihrer Arbeit gut leben können. Das schafft Perspektiven für jede/n Einzelne/n, aber auch für die ganze Gesellschaft.