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Extrem erfahren in Doppelmoral

Im Wortlaut von Jan Korte,

Von Jan Korte, Leiter des Arbeitskreises Demokratie, Wissen, Kultur und Bildung der Fraktion

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder ist eine Expertin in Sachen Extremismus und dessen Bekämpfung. In ihrer kleinen konservativen Welt fühlt sie sich und die ihren zuallererst von „Linksextremisten“ aller Couleur umzingelt und bedroht. Als Teil der Bundesregierung ist sie aber nicht völlig hilflos, sondern kann im Kampf gegen die schlimmsten Feinde ihres Weltbildes ein ganzes Ministerium und etliche Ressourcen, vor allem jedoch ihre eigene Partei, mobilisieren. So ließ sie z.B. der Konrad-Adenauer-Stiftung je 90.000 Euro für zwei Symposien zu „Linksextremismus“ und „islamischem Extremismus“ zukommen. Die Junge Union wurde ebenfalls reichlich mit Geldern aus dem Bundesprogramm „Initiative Demokratie stärken“ bedacht und durfte zur ideologischen Stärkung damit Sauffahrten nach Berlin organisieren.

Und auch das jüngste Beispiel für Kristina Schröders extremen Einsatz gegen „Extremismus“ hat es in sich: Die Zeitbild-Stiftung durfte, ebenfalls finanziert aus Schröders Topf, eine Broschüre zum Thema Linksextremismus erstellen, in der Lehrmaterialien für Lehrerinnen und Lehrer vorgestellt werden („Demokratie stärken. Linksextremismus verhindern“). In dieser Broschüre werden u.a. verschiedene linke Presseerzeugnisse, wie das ‚neue deutschland‘ und die ‚jungle-world‘ als linksextremistische Zeitungen „enttarnt“. Das Vorwort zur Broschüre, von der 25.000 Exemplare gedruckt wurden, verfasste, bzw. unterschrieb die Familienministerin höchstselbst.

Aufmerksame Leserinnen und Leser des Magazins, die sich darüber wunderten, dass weder das ‚nd‘ noch die ‚jungle-world‘ im aktuellen Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz auftauchen und sich daher fragten, wie die AutorInnen der Zeitbild-Stiftung zu ihrer politischen Einschätzung kommen, werden nun in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion aufgeklärt. Dass beide Blätter nicht in den Verfassungsschutzberichten auftauchen, ficht die Einschätzung des Ministeriums nicht an. Schließlich seien die Berichte „keine abschließende Aufzählung“. Linksextremisten können Kristina Schröder und ihren Getreuen nämlich nichts vormachen. Auch das Entgegenkommen von Jürgen Reents, dem Chefredakteur des ‚nd‘, wurde sofort als rein strategisches Mimikry enttarnt. Obwohl Reents eingestanden hatte, „dass in der alten Bundesrepublik nicht alles schlecht war“, blieb Schröder hart.Das Neue Deutschland weise nämlich „gelegentlich Beiträge mit linksextremistischen Bezügen auf“. Gleiches gelte für die Wochenzeitung Jungle World, in welcher „regelmäßig unter anderem Fragestellungen des linksextremistischen antideutschen Spektrums aufgegriffen“ würden. Zudem fänden sich in beiden Zeitungen „Hinweise auf Veranstaltungen aus dem linksextremistischen Spektrum“.

Richtig viel ist das irgendwie nicht. Oder etwas schärfer formuliert: Was das Familienministerium in seiner Antwort präsentiert ist intellektuell erbärmlich. Das Ministerium will trotz Vorwort der Ministerin mit der Broschüre nichts zu tun haben. Der Inhalt liege nämlich im „Verantwortungsbereich der Zeitbild-Stiftung“ und werde von der Bundesregierung nicht bewertet. Initiativen gegen Rechts, die Unterstützung vom Staat haben wollen, werden  durch „Schröders Extremismusklausel“ dazu genötigt, die Verfassungstreue sämtlicher Partner zu garantieren, mit denen sie zusammenarbeiten. Dagegen wurde im aktuellen Fall offenbar gar nichts geprüft, bevor die Mittel flossen. Die Bundesministerin übernimmt nicht einmal die politische Verantwortung für eine diffamierende Zeitung, die als Lehrmaterial an Schulen verwendet werden soll und die ihr Ministerium mit 121.260 Euro finanziert hat.

 

linksfraktion.de, 11.1.12

 

Mehr zum Thema 02.01.2012 – Kleine Anfrage – Drucksache Nr. 17/8258 Diffamierung von Presseerzeugnissen als „linksextremistisch"

Das BMFSFJ finanziert eine Broschüre der Zeitbild-Stiftung zum Thema Linksextremismus mit der LehrerInnen Material zu diesem Thema präsentiert werden soll. Unter anderem werden in der Broschüre "linksextremistische" Zeitungen angeführt, darunter mit dem Neuen Deutschland und der jungleworld zwei Zeitungen, die nicht im VS-Bericht erwähnt werden. DIE LINKE fragt nach der Grundlage für diese diffamierende Etikettierung.

Kleine Anfrage herunterladen Zu dieser Anfrage liegt eine Antwort der Bundesregierung als Drucksache Nr. 17/8310 vor. Antwort als PDF herunterladen