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Euro-Zone: Griechenland-Austritt hätte dramatische Folgen

Im Wortlaut von Axel Troost,

Rettung durch kurzfristig entschiedenes Handeln mit einer Vision für Europa

Von Rudolf Hickel und Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag und stellvetretender Vorsitzender der Partei DIE LINKE

Die Demontage einer Gemeinschaftswährung beginnt mit dem Vorschlag, ein Krisenland wie Griechenland solle zur Drachme zurückkehren. Dabei werden abstruse Modelle über eine Parallelwährung mit dem Euro und der Drachme gehandelt. Das Kunstprodukt heißt GEURO. All diese Ansätze sind ökonomisch nicht zu Ende gedacht. Eine Parallelwährung für Griechenland muss scheitern. Die laufenden Zahlungen wie Löhne werden nach diesem Modell in der neuen Währung notiert. Bargeldbestände und Sichteinlagen (Girokonten) verbleiben dagegen, um einen Banken-Run zu verhindern, auf Euro-Basis. Auch inländische Schulden sollen in der Weichwährung notiert werden. Die Folge sind massive Abschreibungen bei griechischen Banken.

Wie aber würde der Wechselkurs in dem Parallelwährungssystem geregelt? Der Wechselkurs zwischen der neuen griechischen Drachme und dem Euro soll je nach Angebot und Nachfrage auf den Devisenmärkten frei schwanken. Der Umtausch bzw. die Flucht des "schlechten" (GEURO) in das "gute" (Euro) Geld ist in diesem System vorprogrammiert. Diese Parallelwährung setzt wie die anderen Varianten zur Auflösung des Euro auf eine massive Abwertung der Drachme. Deshalb muss die Frage nach den Folgen der abgewerteten Drachme für die griechische Wirtschaft beantwortet werden.

In dieselbe Richtung zielt der radikale Vorschlag, Griechenland aus der Euro-Zone auszuschließen. Gewiss ist, die neue Drachme würde massiv abwerten. Von namhaften Ökonomen werden dieser Abwertung segensreiche Wirkungen für die griechische Exportwirtschaft zugeschrieben. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit würde gestärkt. Diese modellhaft konstruierte Erwartung findet in der Realwirtschaft keine Grundlage. Denn in Griechenland ist – vom Tourismus abgesehen – die Exportwirtschaft völlig unterentwickelt.

Griechenland ist nicht Deutschland

Preisvorteile durch einen niedrigen Wechselkurs stoßen mangels technologisch und innovativer Unternehmen mehr oder weniger ins Leere. In Griechenland muss überhaupt erst die Exportwirtschaft durch eine aktive Wirtschaftsstrukturpolitik aufgebaut werden. Die Funktionsweise der in Griechenland unterstellten Wechselkursdynamik ist dem deutschen Modell abgeschaut. Hier handelt es sich um ein stark außenwirtschaftlich verflochtenes Land. Käme es zu einer Abwertung im Ausmaß Griechenlands, würde die Exportwirtschaft zumindest, bis es zu Gegenreaktionen aus den importierenden Ländern kommt, boomen. Aber Griechenland ist nicht Deutschland. Oftmals resultieren derartige Denkfehler aus der Faulheit, die Unterschiede zwischen Ländern im Euro-Raum zu untersuchen. Ohne Rücksicht auf den spezifischen Entwicklungspfad und die unterschiedlichen ökonomiestrukturellen Bedingungen wird das Modell Deutschland den Krisenländern übergestülpt.

Durch den einseitigen Blick auf die Exportwirtschaft werden die Folgen der Abwertung für die Importe kaum erfasst. Die erhoffte Abwertung der Drachme würde die importierten Güter und Dienstleistungen verteuern. Ein Inflationsimport wäre gewiss. Banken würden infolge der abgewerteten Kredite gegenüber dem Ausland zusammenbrechen. Am Ende würde sich Griechenland mit einer eigenen Währung zu einer Elendsökonomie entwickeln. Und dann stellt sich die Frage, ob das Land noch in der EU bleiben kann und wie dann die Transfers aus dem Gemeinschaftshaushalt finanziert würden.

Wenn Griechenland fällt

Schließlich wäre mit einem Dominoeffekt zu rechnen: Wenn Griechenland fällt, setzen die Wetten auf den Absturz weiterer Krisenländer ein. Die Renationalisierung der Währungen im zusammenbrechenden Euro-Land stünde am Ende dieses Erosionsprozesses.

Ob es zu einem schleichenden Zusammenbruch durch den Ausstieg zuerst nur eines Landes kommt oder die radikale Forderung nach der Auflösung des Euro-Währungssystem gestellt wird, ärgerlich ist, dass die gesamtwirtschaftlichen Folgen für die Mitgliedsländer sowie die Europäische Union kaum diskutiert werden. Die normalerweise auf empirisch fundierte Modelle ausgerichteten Ökonomen schweigen auffällig. Unübersehbar sind die Schwierigkeiten, einigermaßen gesicherte Aussagen beispielsweise über wirtschaftliche Wachstums- und Arbeitsplatzverluste zu treffen. Es gibt allerdings auch Interessen, diese Debatte zu verhindern.

Auffällig ist: Je radikaler die Forderungen zum Euro-Exit sind, umso weniger werden die gesamtwirtschaftlichen Folgen thematisiert. An die Stelle einer rationalen Bewertung von Kosten und Nutzen treten sehnsüchtige Illusionen nach der Rückkehr zum DM-Imperialismus.
Der Sachverständigenrat hat in seinem Sondergutachten vom Juli 2012 erste Hinweise zu den Kosten der Rückkehr zur D-Mark gegeben: Direkt betroffen wären Auslandsforderungen Deutschlands gegenüber den anderen Euroländern im Umfang von 2,8 Billionen Euro. Davon entfielen 1,5 Billionen Euro auf Unternehmen und Privatleute. Mehr als 700 Mrd. Euro Forderungen der Deutschen Bundesbank aus dem TARGET-Verrechnungssystem der EZB kämen möglicherweise dazu. Auch die bisher über die Rettungsschirme geleisteten Finanzhilfen, die auch nach einem Zusammenbruchs des Euro-Systems bedient werden müssten, dürften in erheblichem Maße wertlos werden. Nach einer Berechnung der WirtschaftsWoche wird der mögliche Verlust bei einer Insolvenz und nachfolgendem Austritt Griechenlands für Deutschland auf 77 Mrd. Euro geschätzt.

Einbruch der deutschen Exportwirtschaft

Über dieses monetäre Verlustpotenzial hinaus ist mit Belastungen der Realwirtschaft zu rechnen. Durch den schockartigen Absturz breitet sich eine Vertrauenskrise über die Wirtschaft aus. Bei den Unternehmen dominiert hinsichtlich von Investitionsentscheidungen die Devise: "abwarten und zusehen". Die Ausgabenbereitschaft der privaten Haushalte wird gedämpft. Auch die öffentlichen Haushalte schränken wegen der zu übernehmenden Krisenkosten die Ausgaben zu Lasten der Gesamtwirtschaft ein. Verluste der Banken durch erforderlich gewordene Abschreibungen transportieren über eine restriktive Kreditpolitik die Belastungen in die Realwirtschaft. In Deutschland ist mit einer massiven Aufwertung der DM gegenüber den anderen Mitgliedsländern im alten ehemaligen Euro-Raum zu rechnen. Die Exportwirtschaft bricht ein, während sich die Importe verbilligen. Arbeitsplatzabbau folgt dem Einbruch der Exportwirtschaft.

Infolge der aufwertungsbedingten Verluste bei der internationalen Konkurrenzfähigkeit droht eine Welle an Produktionsverlagerungen. Vorsichtige Schätzungen gehen in der Gesamtwirkung der kumulierten Effekte davon aus, dass die Gesamtwirtschaft nach zwei Jahren bis zu 15 Prozent geschrumpft sein könnte. Mit einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit ist zu rechnen.
Über die ökonomische Dimension dieses Krisenszenarios hinaus wären die politischen Schäden riesig. Mit dem Zurück zur D-Mark-Hartwährungszone, der möglicherweise Österreich und wenige weitere Länder, jedoch nicht Frankreich, angehören könnten, würde die EU-Integration einen schweren Rückschlag erleiden. Die Grundlagen der bisherigen EU-Finanzpolitik mit dem Gemeinschaftshaushalt, der auch über die Strukturfonds zur Angleichung der Wirtschaftsstrukturen eingesetzt wird, wären bedroht. Eine gemeinsame EU-Politik im Bereich der Regulierung der Finanzmärkte mit dem Schwerpunkt Bankenkontrolle würde durch die Spaltung zwischen dem DM-Hartwährungsblock gegenüber den Krisenländern mit anfälligen Währungen kaum noch durchsetzbar sein.

Der voranstehende Text ist ein Auszug aus dem Papier "Euro-Zone vor dem Ende?" von Rudolf Hickel und Axel Troost.