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EU-US-Freihandelsabkommen: Angriff auf soziale und ökologische Standards

Im Wortlaut von Alexander Ulrich,

Von Alexander Ulrich, Obmann der Fraktion DIE LINKE im EU-Ausschuss

 

 

 

Pünktlich zum G8-Gipfel in Nordirland und dem Besuch des US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama in Berlin hat der Europäische Rat der Kommission das Verhandlungsmandat über die größte Freihandelszone Welt erteilt (Transatlantic Trade and Investement Partnership, TTIP). Ziel der Verhandlungen wird es sein, so genannte Handelshemmnisse möglichst weitgehend abzubauen. Die ohnehin relativ niedrigen Zölle sind dabei nur ein Aspekt. Im Mittelpunkt stehen die „nicht-tarifären Handelshemmnisse“. Dabei geht es beispielsweise um Importquoten und Antidumpinggesetze, aber auch um Regulierungen im Sinne des Verbraucherschutzes und Umweltstandards.

Die Kommission wird mit einem sehr umfassenden Mandat in die Verhandlungen gehen. Lediglich „audiovisuelle Dienste“ sind auf Druck der französischen Regierung vorläufig ausgenommen. Ansonsten kommt alles auf den Tisch: von Gesundheits- und Pflegedienstleistungen über Finanzmarktderivate und Industriegüter bis hin zu Produktion und Vertrieb von Nahrungsmitteln.

Es steht also viel auf dem Spiel, wenn die High Level Group on Jobs and Growth demnächst damit zu verhandeln beginnt. Die europäisch-amerikanische Arbeitsgruppe wurde bereits 2011 ins Leben gerufen, um entsprechende Gespräche vorzubereiten und zu strukturieren. Geführt wird sie von EU-Handelskommissar De Gucht. Die Mitgliederliste liest sich wie das Who is Who der neoliberalen Freihandelsfanatiker ohne demokratische Legitimation. Insofern überrascht es auch nicht, dass zwei Drittel der einbezogenen externen Expertisen von Unternehmen und Arbeitgebern stammen. Was hier passiert, ist offensichtlich: Hinter verschlossenen Türen tritt eine Schar lobbyanfälliger Technokraten und Lobbyisten zusammen, um unter dem Label des Freihandels eine weitreichende Attacke gegen soziale und ökologische Standards zu führen.

Der eine will mit gentechnisch verändertem Saatgut auf den europäischen Markt, der andere mit chlorbehandelten Hühnern. Ein dritter will neue Finanzmarktregeln verhindern und ein vierter Arbeitsschutzbestimmungen und Umweltstandards in der Industrie abbauen, um die Profite zu erhöhen. Intransparente Freihandelsverhandlungen machen es möglich, all diese Interessen unter einen Hut zu bringen und auf einen Schlag einen riesigen Fortschritt bei der Neoliberalisierung der Welt zu erreichen. Bereits 2015 sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein.

Ob das klappt, bleibt abzuwarten sich zeigen. Die Hoffnung auf ein Scheitern der TIIP ist nicht ganz unberechtigt. Zum einen gibt es auch einflussreiche Lobbyisten, die allerlei Ausnahmen durchsetzen wollen, weil sie von bestimmten Regulierungen profitieren. Es ist nicht unüblich, dass sich die Mächtigen in solchen Verhandlungen selbst lahmlegen und irgendwann resignieren. Die nun anstehenden Verhandlungen sind immerhin schon der vierte Anlauf zur Schaffung einer transatlantischen Freihandelszone. Zum anderen sind zivilgesellschaftliche Akteure auf beiden Seiten des atlantischen Ozeans auf die Pläne aufmerksam geworden und fordern mehr Transparenz. So hat die Anti-Lobbyismus-Gruppe „Corporate Europe Observatory“ bereits begonnen, Informationen einzuklagen. In Deutschland haben sich über 20 Organisationen wie Attac und der BUND in einer gemeinsamen Erklärung gegen das TTIP ausgesprochen. In den USA sind die Gewerkschaften alarmiert. Wenn der Druck weiter wächst, wird es nicht machbar sein, den großen Deal hinter verschlossenen Türen einzutüten. Doch wenn die Karten offengelegt werden, dann ist womöglich kein Deal machbar, der vor allem die Interessen der Banken und Konzerne bedient und jene der Menschen missachtet. Die TTIP wäre nicht das erste Freihandelsabkommen, dass am Widerstand der Bevölkerung der betroffenen Länder scheitert. Die Linke wird ihren Beitrag leisten, den Druck zu erhöhen und die EU/US-Freihandelspläne zu versenken.

linksfraktion.de, 18. Juni 2013