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Es geht nicht nur um Diätenerhöhungen - die Tür zu einer Bürgerversicherung für alle steht offen

Kolumne von Raju Sharma,

Von Raju Sharma, MdB und Bundeschatzmeister der LINKEN





Am 24. November 2011 setzte der Ältestenrat des Bundestages eine "Unabhängige Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts" ein. Auftrag der Kommission war es, "Empfehlungen für ein Verfahren für die künftige Anpassung der Abgeordnetenentschädigung und für die zukünftige Regelung der Altersversorgung von Abgeordneten nach Art. 48 Abs. 3 GG" vorzulegen. Als die elfköpfige Kommission unter Leitung des früheren Bundesjustizministers Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Mitte März Bundestagspräsidenten Lammert ihren 40seitigen Bericht (Drs. 17/12500) übergab, nahm die Öffentlichkeit hiervon zunächst kaum Notiz. Als dann Lammert aber knapp zwei Wochen später gegenüber der Leipziger Volkszeitung äußerte, "es wäre schön, wenn die Fraktionen sich verständigten, ob und welche der Empfehlungen einer unabhängigen Kommission zu dem Thema sie aufgreifen", war es nur noch eine Frage von Stunden, bis die führenden Medien in Kommentaren und Leitartikeln harsche Kritik an der vermeintlich vorgeschlagenen kräftigen, kurzfristigen und intransparenten Diätenerhöhung formulierten.

Dabei hatte die Kommission eigentlich nur – ihrem Auftrag entsprechend – Vorschläge für das Verfahren zur Anpassung der Abgeordnetenentschädigung erarbeitet; zur Höhe der Diäten selbst hatte die Kommission lediglich gesagt, dass sie die bereits heute im Abgeordnetengesetz festgeschriebene Orientierung an der Besoldungsgruppe eines Bundesrichters (R 6) bzw. eines kommunalen Wahlbeamten auf Zeit (B 6) als "angemessene Ausgangsgröße" ansehe. Und anders, als es manche Presseberichte vermuten ließen, hatte die Kommission auch nicht vorgeschlagen, die Diäten noch vor der Sommerpause gleich für die nächste Wahlperiode zu beschließen.

Tatsächlich hatte die Kommission ein Indexverfahren empfohlen. Grundlage zukünftiger Diätenerhöhungen sollte die vom Statistischen Bundesamt errechnete Entwicklung der Nominallöhne, also der Bruttomonatslöhne der abhängig Beschäftigten, sein; der Bundestag sollte dann jeweils zu Beginn einer Wahlperiode mit gesondertem Beschluss entscheiden, ob nach diesem Index angepasst wird oder nicht. Bei Licht besehen, erscheint diese Empfehlung wenig spektakulär. In einer parlamentarischen Demokratie ist es richtig und notwendig, dass Abgeordnete letztlich selbst über ihre Diäten entscheiden. Auch spricht nichts dagegen, sich dabei an einer neutralen Richtlinie zu orientieren. Das könnte – wie vorgeschlagen – die nominale Steigerung der Löhne sein. Noch besser wäre es allerdings, wenn der Bundestag sich auf die Reallohn-, Renten- oder Grundsicherung als Maßstab für Diätenerhöhungen einigen würde. Das nämlich könnte für viele Kolleginnen und Kollegen ein Anreiz sein, endlich eine sozialere Politik zu machen. Politik zu Lasten der Beschäftigten würde mit Nullrunden im Bundestag bestraft. Das wäre ein gutes Prinzip.

Bei der Altersvorsorge konnte die Kommission wegen Stimmengleichheit keine einheitliche Empfehlung aussprechen. Immerhin ein großer Teil der Kommissionsmitglieder schlug eine Form der Bürgerversicherung für Bundestagsabgeordnete vor. Auch das geht in die richtige Richtung. Derzeit erwerben Abgeordnete auch nach vergleichsweise kurzer Zeit Rentenansprüche, die normal Beschäftigte in ihrem gesamten Erwerbsleben nicht erreichen können. Nach dem Motto "Eine Rente für alle" ist es absolut sinnvoll, wenn Abgeordnete wie Beschäftigte in die Rentenversicherung einzahlen und darüber hinaus privat und durch eine Form der Betriebsrente vorsorgen. Das würde die derzeit bestehende Gerechtigkeitslücke schließen. Darüber hinaus könnte das auch außerhalb des Bundestages ein Einstieg in die Bürgerversicherung sein. Profitieren würden davon alle Bürgerinnen und Bürger.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Kritik an dem Kommissionsbericht zumindest überzogen. Der Bundestag hat eine unabhängige Kommission um einen sachverständigen Rat gebeten. Den hat er bekommen. Was er daraus macht, muss er selbst entscheiden.

linksfraktion.de, 8. April 2013