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Endlich Mindestausbildungsvergütung – ein Anfang mit vielen Tücken

Im Wortlaut von Birke Bull-Bischoff,

Von Birke Bull-Bischoff, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Im Grundsatz ist es ein großer Wurf: Erstmals soll es in Deutschland eine Mindestausbildungsvergütung geben. Die Reform des Berufsbildungsgesetzes (BBiG)*, die das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen hat, sieht für das 1. Ausbildungsjahr ab kommenden Jahr 515 Euro vor, 2021 dann 550 Euro, ab 2022 sollen es 585 Euro sein und ab 2023 sogar 620 Euro brutto. Auch die weiteren Ausbildungsjahre sollen schrittweise angehoben werden.

Es war ein langer Weg zu einer Untergrenze für die Vergütung von Azubis. Jahrelang blockierte die Koalition, dann feilschte sie bis zum Schluss. Die ursprünglich von der Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) vorgeschlagenen 504 Euro für das 1. Ausbildungsjahr in Anlehnung an das Schüler-BaföG sind mit dem vorliegenden Entwurf vom Tisch.

Azubis sind keine Billigarbeitskräfte

Nur dem Druck von Gesellschaft, Gewerkschaften und der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag ist es zu verdanken, dass Union und SPD endlich in die Gänge gekommen sind. Doch wie immer steckt die Tücke im Detail. Die Linksfraktion fordert eine gesetzlich festgelegte Mindestausbildungsvergütung, die einheitlich bei 80 Prozent der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütungen aller Branchen des jeweiligen Ausbildungsjahres liegt. Dies wären mit Stand 2018 nach Berechnungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und des DGB 660 Euro (brutto) im ersten Ausbildungsjahr, 720 Euro im zweiten Jahr, 795 Euro im dritten Jahr und 826 Euro im vierten Jahr. Von diesen 660 Euro brutto pro Monat im ersten Ausbildungsjahr würden über 125.000 Jugendliche profitieren. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesbildungsministerin wären es im Jahr 2020 lediglich etwa 26.190 junge Menschen (DGB-Kalkulation). Das sind zu wenige Azubis, zumal die vollzeitschulischen Ausbildungen außen vor sind, da sie außerhalb des Geltungsbereichs des Berufsbildungsgesetzes liegen. Azubis sind schließlich keine Billigarbeitskräfte.
Kalkulation zur Mindestausbildungsvergütung, Quelle DGB

Die Bundesregierung versäumt es zudem, weitere Meilensteine in puncto Rechtssicherheit, soziale Absicherung und Ausbildungsqualität in der beruflichen Bildung einzuführen – zum Beispiel die Verankerung des Rechtsanspruchs auf eine vollqualifizierende Ausbildung, das Recht auf Teilzeitausbildung, mehr Schutz- und Mitbestimmung für Azubis sowie die Übernahme von Lernmittelkosten als auch Fahrt- und Unterbringungskosten durch die Betriebe.

Alte Leier aus der Wirtschaft

Bleiern ist allerdings die Kritik: Es ist die gleiche Leier wie damals bei der Einführung des Mindestlohns. Das sei der Untergang für viele Betriebe und Ausbildungsplätze würden wegfallen. Die Wirtschaft braucht Fachkräfte und hat eine Verantwortung. Vielleicht sollte sich die Bundesregierung über eine Umlagefinanzierung Gedanken machen, die alle Betriebe für die Ausbildung junger Menschen in die Pflicht nimmt und diejenigen unterstützt, die ausbilden und ausbilden wollen.


*Das Berufsbildungsgesetz regelt und definiert seit 1969 die Rechte und Pflichten der Auszubildenden während der dualen Ausbildung sowie die Aufgaben der Ausbilder*innen und Prüfer*innen, die Berufsausbildungsvorbereitung, die Fortbildung, die berufliche Umschulung sowie die Voraussetzungen des Berufsausbildungsverhältnisses.