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Amira Mohamed Ali

»Einiges ineinander verhakt«

Im Wortlaut von Amira Mohamed Ali, Märkische Oderzeitung,

Sie ist die Nachfolgerin von Sahra Wagenknecht. Als sie im November zur Frak­tionschefin der Linken im Bundestag gewählt wurde, rieben sich viele die Augen: Amira Mohamed Ali kannte kaum jemand. Die 39-jährige Anwältin aus Oldenburg ist erst seit zwei Jahren im Bundestag.

 

MOZ: Frau Mohamed Ali, es gibt erhebliche Schwierigkeiten in Ihrer Fraktion, einen vollständigen Vorstand zu wählen. Einige Posten konnten bislang nicht besetzt werden. Sind Sie darüber überrascht, dass es immer noch so viel Uneinigkeit gibt?

Amira Mohamed Ali: Das braucht alles Zeit. Natürlich ändern sich Dinge nicht sofort. Außerdem sind das demokratische Wahlen. Da kann man für oder gegen eine Kandidatin oder einen Kandidaten sein. Aber es stimmt, dass sich im Moment einiges etwas ineinander verhakt hat. Das versuchen wir jetzt, möglichst schnell aufzulösen.

Statt das Denken in Lagern und Strömungen zu überwinden, scheint sich die Fraktion lediglich in neuen Lagern zu formieren.  Eines um die Parteivorsitzende Katja Kipping und ein anderes um Sie und Ko-Fraktionschef Dietmar Bartsch.

Ich glaube, dieses Lagerdenken wird in manchen Darstellungen sehr übertrieben. Die Fraktion hat auch in der Vergangenheit gut zusammengearbeitet. Und dass in einer Fraktion mit 69 Mitgliedern nicht alle eine Meinung haben oder sich gleich gut miteinander verstehen, halte ich eigentlich für normal. Das ändert sich auch nicht, nur weil es einen neuen Fraktionsvorstand gibt.

Würden Sie Ihre Wahl zur Fraktionsvorsitzenden als Ausdruck des Wunsches nach einem Neuanfang sehen?

Sagen wir es so: Ich war an den Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Gruppen bei uns nie beteiligt. So gesehen ist meine Wahl möglicherweise tatsächlich mit dem Wunsch verbunden, Grabenkämpfe hinter uns zu lassen. Entscheidend ist, dass wir als linke Fraktion und als linke Partei wahrgenommen werden. Möglichst geschlossen.

Vielleicht unterschätzen Sie ja die Tiefe der Zerwürfnisse?

Ich komme von der Basis und dort hat man wenig Verständnis für Machtkämpfe auf der Führungsebene. Ich finde, wir sollten da auf die Basis hören. Nicht zuletzt deshalb, weil wir ja bei der überwältigenden Mehrheit der Themen alle einer Meinung sind. Das muss wieder in den Vordergrund gerückt werden.

Wie sehen Sie das Verhältnis der Linken  zu neuen sozialen Bewegungen? Etwa zu Fridays for Future? Was ist mit der linken Klimapolitik?

Wir sind sehr froh, dass es Fridays for Future gelungen ist, der Klimafrage gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu verschaffen und unterstützen die Bewegung. Der Linken ist Klimaschutz sehr wichtig. Aber wir wissen: Er wird nie richtig in einem System funktionieren, das auf Profitorientierung um jeden Preis ausgerichtet ist. Da muss man strukturell ran.

Muss da nicht jeder ran?

Die Verantwortung den Konsumenten zuzuschieben, halten wir für falsch. Den Leuten zu sagen, esst doch weniger Fleisch, fahrt weniger Auto, dann wird alles gut, ist zu simpel und lenkt von der Hauptverantwortung ab. Und die ist bei den großen Profiteuren des klimaschädlichen, kapitalistischen Wirtschaftssystems, den Konzernen und den Superreichen.

Wenn Sie so antikapitalistisch sind, wie haben Sie es dann zehn Jahre lang als Anwältin  bei einem großen Autozulieferer ausgehalten?

(lacht) Ich habe dort sehr gern gearbeitet. Ich war in der Rechtsabteilung und Vertragsmanagerin.

So untergräbt man doch nicht den Kapitalismus.

Dass wir eine funktionierende Wirtschaft brauchen, ist doch wohl klar. Die Autoindustrie hat einen zentralen Stellenwert in der Wirtschaft in Deutschland. Was nicht heißt, dass sie sich nicht auch wandeln muss. Wir Linken kämpfen gegen den entfesselten Kapitalismus und gegen die Maximierung des Profitsum jeden Preis.

Was halten Sie von den aktuellen Entwicklungen in der SPD?  Befürchten Sie, links überholt zu werden?

Kein bisschen. Uns mangelt es nicht an Themen, gerade in der Sozialpolitik und der Außen- und Friedenspolitik. Auch unter den neuen SPD-Vorsitzenden bleibt es derzeit noch bei reinen Absichtserklärungen. Das ist zu wenig. Die SPD muss liefern. Nur wenn die SPD wieder sozialdemokratisch wird, kann sie ein Bündnispartner für uns sein.

Man soll nicht über Namen reden. Aber da Sie auf Ihrer Facebook-Seite sehr offensiv damit umgehen: Rumble in the political Jungle heißt es dort in Anspielung auf  den berühmten Boxkampf zwischen Muhammad Ali und George Foreman.  Haben Sie sonst eine Beziehung zum Boxen?

Jenseits meiner Bewunderung für meinen berühmten Namensvetter eigentlich nicht. Diese Anspielung war eine Idee aus dem Bundestagswahlkampf. Und da haben wir gedacht: Warum soll man das nicht nutzen? Es passt ja auch. Zur politischen Durchsetzungskraft zum Beispiel.

Und schweben wie ein Schmetterling, stechen wie eine Biene.

(lacht) Ganz genau.

Märkische Oderzeitung,