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Eine wegweisende Tarifrunde im öffentlichen Dienst

Im Wortlaut von Jutta Krellmann,



Von Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Die Auswirkungen der katastrophalen Personalsituation in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes ist für jeden von uns allgegenwärtig: Wir stehen im Bürgeramt Schlange, um den Pass abzuholen, landen, wenn man beim örtlichen Jobcenter anruft, in einem zentralen Callcenter oder kommen schwer in Kontakt mit unserem zuständigen Sachbearbeiter vom Finanzamt.

Seit 1991 zweieinhalb Millionen Arbeitsplätze ersatzlos gestrichen 

Der öffentliche Dienst war einst Vorreiter in Sachen guter und sicherer Arbeit. Heute, nur 25 Jahren später, ist davon nicht mehr so viel übrig geblieben. Geschafft haben das Bund und kommunale Arbeitgeber durch die Anwendung von neoliberalen Blaupausen, wie Einsparungen, Deregulierung und Lohneinbußen. Allein seit 1991 wurden zweieinhalb Millionen Arbeitsplätze ersatzlos gestrichen und das bei steigendem Arbeitsaufkommen und zunehmender gesellschaftlicher Erwartungshaltung, wie etwa eine moderne Verwaltung. Es kann aber nicht alles unkompliziert, papierlos und bürgerorientiert laufen, wenn gleichzeitig der Alltag der Beschäftigten von Arbeitsverdichtung, Personalabbau und Überstunden geprägt ist. Eigentlich logisch, oder? Finden die Arbeitgeber nicht.

Deswegen ziehen jetzt die Beschäftigten mit breit aufgestellten Forderungen die Reißleine. In der laufenden Tarifrunde des öffentlichen Dienstes wollen die Gewerkschaft Verdi und der Beamtenbund und tarifunion daher zum Beispiel nicht nur mehr Lohn, sondern auch eine verbindliche Übernahmeregelung von Auszubildenden erkämpfen. Dazu wollen die Beschäftigten endlich die überarbeitete Entgeltordnung bei den kommunalen Arbeitgebern durchsetzen und geplante Einschnitte in ihre betriebliche Altersvorsorge verhindern.

Abschaffung der sachgrundlosen Befristung als Tarifforderung

Diese weitere Tarifforderung der Beschäftigten verdient ein genaueres Hinsehen. Denn auffallend viele Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst sind nicht nur befristet, sie werden einfach auch nicht sachlich begründet. Im Jahr 2013 waren drei von zehn Arbeitsverträgen sachgrundlos befristet, im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sogar acht von zehn! Die Folge: Die Betroffenen schleppen sich krank zur Arbeit oder gehen seltener zum Personalrat, immer in der Hoffnung, vielleicht den Vertrag verlängert zu kriegen. Dabei steht längst außer Frage, dass Befristung gute Arbeit verhindert. Die Beschäftigten haben genau darauf keinen Bock mehr und wollen die sachgrundlose Befristung per Tarifvertrag im öffentlichen Dienst verbieten. Damit folgen sie einer neuen Entwicklung, denn sie versuchen, Verbesserungen bei bestimmten Arbeitsbedingungen zumindest für ihren Bereich durchzusetzen, die eigentlich Aufgabe des Gesetzgebers wären und für alle Beschäftigten geregelt gehört.

Gute Arbeit als gesetzlicher Rahmen

Wurden früher Tarifforderungen in Gesetze gegossen, wie zum Beispiel die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, scheint es nun umgekehrt. Die Beschäftigten müssen wichtige gesetzliche Verbesserungen am Arbeitsrecht auf die Tarifebene verlagern, weil sie mit ihren Sorgen bei der Bundesregierung offenbar kein Gehör mehr finden. Das ist ein Skandal und zugleich eine Bankrotterklärung für die Große Koalition! Wo kommen wir denn hin, wenn künftig die Arbeitgeberverbände mit ihrem Schwafeln von Wettbewerb und Flexibilität allein bestimmen, wie die gesetzlichen Grundlagen von Arbeitsrecht und Arbeitsschutz aussehen? Dem müssen wir schnellst möglichst einen Riegel vorschieben und die gute Arbeit gesetzlich umfassend auch im Sinne der Beschäftigten regeln. DIE LINKE hat da ganz konkrete Konzepte und mit denen setzen wir uns auch weiterhin im Parlament dafür ein. Bis es soweit ist, wünsche ich den Beschäftigten im öffentlichen Dienst für die zweite Tarifrunde kommende Woche viel Kraft und Erfolg bei der Durchsetzung ihrer Forderungen.

linksfraktion.de, 8. April 2016