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»Eine politische Elite, die nur um sich kreist«

Interview der Woche von Frank Tempel,


 

Frank Tempel spricht im Interview über die Edathy-Affäre, Geheimnisverrat, die Motive der beteiligten Politiker, die Notwendigkeit der Aufklärung und einen möglichen Untersuchungsausschuss.

Der Fall Edathy ist zu einer Staatsaffäre geworden. Politische Beobachter werfen Politikern von Union und SPD vor, dass sie nicht mehr zwischen Staats- und Parteieninteresse unterscheiden könnten. Teilen Sie diese Einschätzung?

Frank Tempel: Das ist offensichtlich! Vor der Öffentlichkeit wird ein unwürdiges Spiel geboten. Es geht um Posten, heimliche Absprachen, mögliche Gesetzesbrüche und eine politische Elite, die nur um sich kreist. Statt Fehler einzugestehen, fordert Friedrich gar eine Aufhebung des Gesetzes zum Dienstgeheimnis. Dass die Politik Probleme lösen soll, welche den Bürgerinnen und Bürgern auf den Nägeln brennt, kommt überhaupt nicht vor. 

Haben Sie in der aktuellen Stunde am vergangenen Mittwoch den Eindruck gewonnen, dass Union und SPD wissen, was auf dem Spiel steht?

Dass sie durch einen solchen Vorfall den Ruf der parlamentarischen Demokratie schwer schädigen, interessiert die Regierungsparteien im Moment überhaupt nicht. Die Große Koalition hat sich in schwieriges Fahrwasser begeben. Einerseits fordert die CSU bei der SPD ein Opfer in Form des Rücktritts von Fraktionschefs Oppermanns. Dessen Pressemitteilung sehen sie als Hauptursache für den Rücktritt von Friedrich. Andererseits wolle Merkel und Gabriel die Koalition nicht gefährden.

Und so versucht die SPD nun den schwarzen Peter von sich auf andere zu schieben. Sie brachte die örtlichen Polizeibehörden in Niedersachsen als mögliches Leck von Informationen an Edathy ins Spiel. Damit will Sie von sich ablenken.

War das Bild, das sich Ihnen anschließend im Innenausschuss bot, ein anderes?

Nein, da ging das Spiel weiter. Interessant war, dass alle "Zeugen" nahezu wortgleich die Vorgänge schilderten. Böse Zungen könnten von perfekten Absprachen reden…

Auch BKA-Chef Ziercke hat die Polizei in Niedersachsen herausgestellt, damit keiner auf das BKA schaut. Die Einlassung von Oppermann, dass neben Friedrich und Gabriel auch Unions-Fraktionschef Kauder die Pressemitteilung Oppermanns abgesegnet hat, sollte die SPD aus der Schusslinie nehmen. Einen Tag später wurde diese Aussage jedoch von Oppermann wieder zurückgenommen.

Was muss die SPD aus ihrer Sicht leisten, um die Affäre aufzuklären?

Oppermann muss erklären, dass es ein großer Fehler war Ziercke anzurufen und auf eigene Faust, unberechtigte Auskunft zu erschleichen. Weiterhin muss klar gemacht werden wie Edathy von ihm zustehenden Posten in der SPD-Fraktion oder der Regierung abgehalten werden konnte, ohne ihn mit dem Wissen über Ermittlungsergebnissen zu konfrontieren. Die bisherigen Antworten sind da einfach unglaubwürdig.

SPD-Chef Sigmar Gabriel will Sebastian Edathy aus der SPD ausschließen lassen. Wie bewerten Sie das?

Bis zum Beweis des Gegenteils gilt die Unschuldsvermutung. Wenn er vor einer etwaigen Verurteilung aus der SPD ausgeschlossen wird, muss man von einem Bauernopfer ausgehen. Ich finde es im übrigen bedenklich, dass ein Thilo Sarrazin währenddessen bis heute immer noch Mitglied der SPD ist.

Die SPD fordert auch eine Verschärfung der Kinderpornografiegesetze. Was bringt das?

Zuallererst bringt es für die Große Koalition eine Ablenkung von möglichen Fehlverhalten in ihren eigenen Reihen.

Ich warne davor, bei der derzeitigen Aufregung Gesetzesberatungen anzustreben. Bei Gesetzen muss nüchtern abgewogen werden, ob dadurch tatsächlich der Schutz für Kinder und Jugendliche verbessert wird. Solche untauglichen Ideen wie die der Netzsperren aus der letzten Legislatur lösen kein Problem, schaffen aber die Infrastruktur für Zensur im Internet. Vielmehr sollten Hilfsangebote wie beispielsweise "Kein Täter werden" weitere finanzielle und politische Unterstützung erfahren.

Wie wahrscheinlich ist es, dass es am Ende zu einem Untersuchungsausschuss kommt und was würde das für die Arbeit der Großen Koalition bedeuten?

Ob es einen Untersuchungsausschuss geben wird, ist im Moment schwer einzuschätzen. So wie der Innenausschuss verlief, frage ich mich, wie man an Sachverhalte herankommen soll, die jeweils unter vier Augen abgesprochen worden sind. So war es jedenfalls bei Friedrich und Gabriel oder Oppermann und Ziercke.


linksfraktion.de, 24. Februar 2014