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Eine linke Stimme ist unersetzlich

Im Wortlaut von Lothar Bisky,

Sie verlassen nach fast vier Jahren den Deutschen Bundestag, um DIE LINKE im Parlament der EU zu vertreten. Ihr Fazit für die Zeit im Bundestag?

Gleich zu Beginn der Legislatur haben wir eine Anhörung organisiert, in der wir eine Politik zur Beerdigung von Hartz IV angemahnt haben. Die Fraktion DIE LINKE war selbst überrascht: es war die bisher größte Anhörung im Deutschen Bundestag. Eine linke Fraktion hat nicht nur die Politik im Land, sie hat auch den Bundestag verändert. Wir haben Druck gemacht, nicht nur bei den sozialen Fragen. Die Transparenz in den außenpolitischen Entscheidungen ist gewachsen und die Front der Befürworter für die Auslandeinsätze der Bundeswehr im Parlament bröckelt.

Die linke Fraktion hat weitreichende Vorschläge dahingehend gemacht, dass die Folgen der Wirtschaftskrise auch von denen mitfinanziert werden, die bisher von der verfehlten Politik der Großen Koalition profitiert haben. Genau dies ist jetzt entscheidend, denn nicht nur wir ziehen Bilanz über unsere politischen Vorschläge, sondern auch über die gravierenden Versäumnisse einer unsozialen und undemokratischen Politik der Großen Koalition, die häufig von den marktradialen Steuersenkern aus dem liberalen Lager und manch Grünen noch befeuert wird.

Manchmal habe ich scherzhaft vom Raumschiff Bundestag gesprochen. Manch »einsame« Entscheidungen der großkoalitionären Fraktionen geben mir allerdings recht und da ist es mit der Scherzhaftigkeit augenblicklich vorbei. Ob der Mindestlohn, die Börsenumsatzsteuer, die Pendlerpauschale oder das Staatsziel Kultur, man hofft auf politische Bewegung, auf eine gewisse Kongruenz von Wahlversprechen und der Durchsetzungsrichtung im parlamentarischem Handeln und dann: Da steht der Machterhalt gegen die Mehrheit der Interessen von Wählerinnen und Wählern, werden Gesetze von Lobbyisten verfasst, Banken gerettet ohne spürbare Gegenleistung. Da ist eine linke Stimme unersetzlich.

Die Fraktion im Bundestag hat sich vor der Partei als Linksfraktion zusammengeschlossen. Wie bewerten sie diesen Schritt im Rückblick?

Weise. Es war das beherzte Symbol, Politik durchsetzen zu wollen und ein notwendiges Versprechen, das Wachsen einer linken Partei energisch voranzubringen. Da dürfen wir auch nicht auf halbem Wege stehen bleiben -im 21. Jahrhundert brauchen wir eine plurale Linke, die Alternativen auch politisch einlöst, eine Partei, die nicht für sich, sondern für die Menschen existiert, die soziale Gerechtigkeit brauchen und wollen.

Sie waren medienpolitischer Sprecher der Fraktion: welche thematischen Akzente haben sie gesetzt?

Medienpolitik ist solch ein apartes Feld, das nicht ich die Themen setze, sondern eine sich rasant wandelnde Medienlandschaft, die in der Bundespolitik leider kaum beachtet wird. Also habe ich versucht, den Veränderungen im digitalen Kapitalismus ein Gesamtkonzept für eine demokratische Medienordnung gegenüberzustellen und Schritte ihrer Umsetzung auf den Weg zu bringen. Dabei steht zuerst die Verbesserung der miesen Arbeitsbedingungen der Medienmacherinnen, vieler Filmleute, der Gamedesigner und Journalistinnen zur Debatte, die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, ein Urheberrecht, dass den demokratischen Potenzen des Internets gewachsen ist.

Werden sie als Vorsitzender der GUE/NGL-Fraktion dazu kommen, sich weiter mit dem Thema Medien zu beschäftigen?

Wenn die Wettbewerbskommissarin Frau Kroes, die Gebührenfinanzierung nicht nur des deutschen öffentlichen Rundfunks, sondern inzwischen auch der BBC angreift, dann werden sie meine Stimme im EP deutlich hören. Medienpolitik ist ein komplexes ökonomisches, juristisches und kulturelles Thema. Ob unser Programm morgen Google, die Telekom oder Qualitätsjournalisten machen werden, ist nicht nur eine kulturelle Frage.

Es geht um technologische Zugänge, ein Zugriff aller auf Informationsströme, es geht um die demokratische Potenz in den modernen Kommunikationswegen. Da kann Urheberrecht nicht zum Industrierecht verkommen, dürfen Nutzer, wie Schüler und Studierende nicht ausgeschlossen werden von Wissensspeichern und modernen Arbeitsmöglichkeiten. Zugleich haben sie auch Rechte in sozialen Netzwerken, die diskutiert und garantiert werden müssen.

Wenn Sie sich für die Fraktion im Bundestag etwas wünschen könnten: was wäre das?

Wir müssen da weitermachen, wo wir immer und immer erlebt haben: Links wirkt - im Parlament und außerhalb des Parlaments. Das muss in der der nächsten Legislatur allgegenwärtig werden. Jetzt steht die große Frage, wer die Zeche der Folgen der Wirtschaftskrise bezahlen wird. Nach der Wahl wird die Stunde der ernüchternden Bilanzen schlagen, die dann die Begründungen liefern sollen für unliebsame politische Maßnahmen: soziale Kürzungen, wie Rentenklau und schlechte Bedingungen für Arbeitsförderung, Bildung, Investitionen in einen sozial-ökologischen Umbau.

Da sind wir gefragt und das können wir Wählerinnen und Wählern jetzt landauf landab erläutern, am besten mit der Bilanz unserer Fraktion in der Hand und mit einem Wahlprogramm, in dem viele kluge Vorschläge darauf warten, politisch wirksam zu werden. Dann ist der Gebrauchswert der Linken eine alltägliche Erfahrung. Mehr kann ich mir nicht wünschen.

www.linksfraktion.de, 15. Juli 2009