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Ein Zukunftsprogramm sieht anders aus

Im Wortlaut von Diana Golze,




Von Diana Golze, Leiterin des Arbeitskreises IV - Lebensweise und Wissen - der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Die Worte "Investition", "Zukunft", "Bildung" fielen bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags häufig. Man hätte "… einen Koalitionsvertrag für die kleinen Leute geschrieben" und "massive Impulse für Forschung, Infrastruktur und Bildung gesetzt".

Der Blick auf das schwarz auf weiß Festgehaltene führt indes genau in den entsprechenden Bereichen schnell zu Ernüchterung. In den Bereichen Bildung, Hochschule aber auch bei der Familienpolitik blieben insbesondere die zentralen Forderungen der SPD aus dem Wahlkampf auf der Strecke. Eine Überwindung des sogenannten Kooperationsverbotes etwa, das im Wahlprogramm der  Sozialdemokraten noch als Grund für den Stillstand in Sachen "Stärkung der Chancengleichheit durch Bildung" gegeißelt wurde, ist nach der letzten Verhandlungsrunde auch bei intensiver Suche nicht mehr zu finden. Wie Länder und Kommunen nun allein anstehende Aufgaben wie Inklusion, Ganztagsschulen und eine bedarfsgerechte Ausfinanzierung der Hochschulen sichern sollen, bleibt bislang das Geheimnis der Großen Koalition.

Das groß im SPD-Regierungsprogramm angekündigte Ganztagsschulprogramm fällt offenkundig aus. Auch die Lösung dafür, wie man in Zukunft jungen Menschen unabhängig von der Finanzkraft des Elternhauses ein Studium ermöglichen möchte, bleibt ein Rätsel. Denn brennende Fragen wie das Fehlen von Wohnheimplätzen und sozialer Infrastruktur, knappen Studienplätzen und ein veraltetes BAföG werden mit keinem Wort erwähnt. Auch die Versprechungen zu "spürbaren Erhöhungen" von BAföG-Bedarfssätzen und Freibeträgen ist eine Erwähnung im Koalitionsvertrag nicht mehr wert.

Nebulöse Formulierungen

Auch bei Familienpolitik oder im Bereich Kinder und Jugend fragt man sich kopfschüttelnd, wo denn nun die Handschrift der SPD sein soll. Im Fokus der Öffentlichkeit standen vor allem die Debatte um das Betreuungsgeld, die Ausweitung des Elterngeldes, ein Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit und Gerüchte um ein Kitaqualitätsgesetz. Das Betreuungsgeld – schärfstes Schwert im "Abgrenzungs-" Wahlkampf der SPD – bleibt nun kommentarlos erhalten. Nebulöse Formulierungen zu einem Elterngeld-Plus werfen mehr Fragen auf als beantwortet werden und statt eines Kitaqualitätsgesetzes, das überfällig ist, wird nun nur noch von "Regelungen zur Qualität" gesprochen. Ein drittes Investitionsprogramm des Bundes für den Kita-Ausbau wird angekündigt – leider nicht verbindlich, sondern nur als Prüfauftrag.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besteht darin, dass bestehende Vorhaben wie die Portale "Erfolgsfaktor Familie" fortgesetzt werden und sich ansonsten in guter alter Tradition auf die Freiwilligkeit der Arbeitgeber verlassen wird. Das kostet nichts, lässt aber leider die Familien im Regen stehen. Denn auf eine gesetzgeberische Regelung wird verzichtet, ebenso auf eine dringend notwendige Debatte um neue Arbeitszeitmodelle, was im Zusammenspiel auch für die nächsten vier Jahre eine spürbare Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf Eis legen dürfte. Stattdessen werden weitere schöne bunte Webseiten angekündigt. So möchte die neue Bundesregierung eine Plattform für haushaltsnahe und familienunterstützende Dienstleistungen aufbauen, auf der legale gewerbliche Anbieter haushaltsnaher familienunterstützender Dienstleistungen für Familien und ältere Menschen leicht zu finden und in Anspruch zu nehmen sind. Fazit: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kostet den Bund nichts und die bestehenden und propagierten neuen Vorhaben nutzen nur denjenigen etwas, die es sich leisten können.

Entwicklung einer eigenständigen Jugendpolitik fällt aus

Auch die Kinderrechte bleiben außen vor. Der Kinder- und Jugendplan des Bundes soll nebulös gestärkt werden und gleichzeitig weitere Aufgaben übernehmen, was in der Folge eine weitere Realkürzung ist. Vor diesem Hintergrund gerät die Entwicklung einer eigenständigen Jugendpolitik, eine Fortsetzung aus der 17. Wahlperiode, vollends zur Makulatur, denn sie darf nichts kosten.  Aber Jugendpolitik kostet Geld! Auch die von der SPD heftig kritisierte Extremismusklausel für durch Bundesmittel unterstützte Projekte gegen Rechtsextremismus bleibt bestehen. Und während in den Ländern derzeit vor allem die Jugendarbeit gekürzt wird, enthält der Koalitionsvertrag nebulöse Formulierungen zur Weiterentwicklung der Zusammenarbeit mit den Ländern. Die Vorhaben in diesem Bereich bleiben insgesamt enttäuschend und können mitunter sogar als gefährlich bewertet werden. Wer das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen fördern möchte, muss Geld in die Hand nehmen und Bestrafungsmechanismen abschaffen. Allerdings verwundert es dadurch auch nicht wirklich, dass Kinderarmut im Koalitionsvertrag an keiner Stelle Erwähnung findet. Schlussfolgernd gibt es auch keine Lösungen für die zu niedrig angesetzten Regelsätze bei Kindern und auch keine für die Fortsetzung der auslaufenden Förderung von Mittagessen in Schulen oder der für eine SPD in der Opposition noch so ungeheuer wichtige Schulsozialarbeit.

Mich lässt der Koalitionsvertrag mit der großen Frage allein, wo bei diesen Regierungsvorhaben die Dinge sind, die Sigmar Gabriel meint, wenn er von einem  "Koalitionsvertrag für die kleinen Leute" redet. Ich habe sie nicht gefunden.

linksfraktion.de, 2. Dezember 2013