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"Ein stilloser und feiger Vorgang"

Im Wortlaut von Ulrich Maurer,

Interview mit Ulrich Maurer (56), Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag. Er war von 1987 bis 1999 Vorsitzender der SPD in Baden-Württemberg.

Hat Sie das Votum des Bundestages gegen Lothar Bisky überrascht?
Ja, sehr. Es ist politisch so dumm, dass ich es nie erwartet hätte. Es gab ja auch keinerlei Signale im Vorfeld. Die Spielregeln des Parlaments wurden in einem stillosen und feigen Vorgang gebrochen.

Welche Motive vermuten Sie?
Das ist Feindseligkeit gegenüber der Linken. Viele Leute verübeln uns, dass wir ihre Blütenträume vereitelt haben.

War es falsch, mit Bisky den Vorsitzenden der Linkspartei für das Repräsentationsamt zu nominieren?
Nein. Die Motivation, die ich vermute, hätte auch jeden anderen getroffen. Stellen Sie sich vor, Lafontaine hätte kandidiert, was da los gewesen wäre.

Bisky ist von der Stasi als IM registriert worden, er selbst bestreitet eine Mitarbeit. Sind die ungeklärten Vorwürfe ein Problem?
Nein. Bisky war Rektor der Filmhochschule in Potsdam, bis heute hat sich keiner seiner Studenten in irgendeiner Weise negativ über ihn geäußert. Ich kenne Bisky als einen ausgesprochen gerechten, sehr sensiblen Mann. Wenn einer mir als besonders honorig aufgefallen ist aus der ehemaligen DDR, ist es er.

Wie wollen Sie weiter vorgehen?
Wir fordern eine Sondersitzung des Ältestenrates. Selbstverständlich halten wir an Bisky als Kandidaten fest. Es kann nicht sein, dass eine Geschäftsordnung, die wir mit großer Mehrheit beschlossen haben, dadurch ins Gegenteil verkehrt wird, dass man das Vorschlagsrecht von Fraktionen beharrlich unterläuft.

Das Gespräch führte Matthias Meisner.

Der Tagesspiegel, 20. Otkober 2005