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"Ein Mann der großen Koalition"

Im Wortlaut von Dagmar Enkelmann,

Dagmar Enkelmann warnt vor Illusionen nach SPD-Machtwechsel - Platzeck einer der eifrigsten Hartz-IV-Verteidiger

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linkspartei im Bundestag, Dagmar Enkelmann, kennt den designierten SPD-Chef Matthias Platzeck aus der Brandenburger Landespolitik. Peter Koard unterhielt sich mit der früheren Fraktionschefin im Landtag.

Warum fiel die Wahl ausgerechnet auf Matthias Platzeck?
Er hat den Ruf, ein verträglicher Typ zu sein. Und manche behaupten sogar, er sei ein Linker. Das ist er nun ganz und gar nicht. Er vertritt einen völlig anderen politischen Standpunkt.

Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?
Ich kenne seine Ansichten aus dem Landtag und vor allem aus dem Wahlkampf in Brandenburg im vergangenen Jahr. Dabei hat er sich als einer der eifrigsten Verteidiger der Hartz-IV-Reformen gezeigt. Es gab keinen, der sich in Ostdeutschland mehr vor Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine umstrittene Agenda 2010 gestellt hat, als Platzeck. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass Schröder ihn jetzt für den besten Mann hält, der das Zeug dazu hat, Franz Müntefering abzulösen. Die Wahl ist eine Art Belohnung.

Was bedeutet das für die SPD?
Platzeck geht ein Ruf voraus, dem er nicht gerecht wird. Vor allem der Teil der SPD, der die Reformpolitik von Schröder als sozial ungerecht ansieht, wird bitter enttäuscht vom neuen Vorsitzenden sein. Was Platzeck kann, ist gut vermitteln. Das ist aber auch wieder das Gefährliche an ihm, weil er jede soziale Grausamkeit vermitteln kann, was andere nicht schaffen ...

... welche anderen meinen Sie?
Zum Beispiel Müntefering. Er vertritt deutlich stärker sozialdemokratische Traditionen als Platzeck dazu in der Lage ist.

Er soll aber die SPD retten. Wie passt das zusammen?
Er kann durchaus Erfolg haben, weil er nicht der politische Typ alter Schule ist, sondern jugendlich dynamisch auftritt. Platzeck kann mit seiner freundlichen Unverbindlichkeit die Menschen einnehmen, so dass sie schon über das hinweg sehen, was er politisch wirklich macht.

Gregor Gysi und Lothar Bisky machen sich Hoffnungen auf eine verbesserte Zusammenarbeit von Linkspartei und SPD.
Da bin ich völlig anderer Meinung. Mit einer Verbesserung der Zusammenarbeit rechne ich nicht, eher mit dem Gegenteil. Platzeck ist ein Mann der großen Koalition und hat nach der Landtagswahl in Brandenburg nicht aus Zufall eine Koalition mit der PDS abgelehnt und die CDU als Bündnispartner gewählt. Er denkt so. Deswegen passt er auch in die gegenwärtigen politischen Konstellationen wie kein anderer.

Werden es die Linken in der SPD schwerer haben?
Die haben eine eindeutige Niederlage erlitten. Das begann mit dem Pyrrhussieg von der Sprecherin der Linken, Andrea Nahles, im Parteivorstand und endete mit der Wahl von Platzeck zum neuen Vorsitzenden. Der linke Flügel ist nach Karlsruhe deutlich geschwächt.

Freie Presse, 11. November 2005