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Ein Luxusproblem

Nachricht von Axel Troost,

Wie sollte Wohneigentum künftig in die Altersvorsorge integriert werden?

Dass der flexibilisierte Kapitalismus alles von alleine richtet, glauben nur diejenigen, die die Fragmentierungen des Arbeitslebens nicht wahrhaben wollen, die jährlichen Armutsberichte konsequent ausblenden, die das Elend z.B. der Kinderarmut ignorieren. Entfesselte Märkte schaffen und verfestigen soziale Ungleichheit. Sie generieren mehr Reichtum und zugleich mehr Armut, mehr Freiheit und Abhängigkeit, Gewinner und Verlierer. Für die Altersvorsorge bedeutet das zunehmende Freiräume und Möglichkeiten auf der Seite der Gewinner und die Notwendigkeit von mehr staatlichen Hilfen und institutionalisierter Solidarität auf der Seite der Verlierer.

A) Die Reichen, die noch reicher wurden - Wohneigentum muss nicht gefördert werden

Das verfügbare Median-Einkommen liegt nach aktuell vorliegenden Zahlen bei 1808 Euro im Monat. Bei denjenigen die mehr verdienen, handelt es sich um gut ausgebildete Menschen, die selbst wenn sie von Arbeitslosigkeit betroffen werden, innerhalb von vier Monaten einen neuen Arbeitsplatz bekommen.

Um die Gutverdienenden, zumal wenn sie jünger sind, muss man sich keine Sorgen machen. Rund die Hälfte der Bevölkerung verfügt über mehr als neunzig Prozent des Vermögens. Wohlverdienende Haushalte dürften demnach durchschnittlich mehr als 150.000 Euro auf der hohen Kante haben. Sie haben die beste Altersvorsorge abgeschlossen, die man sich vorstellen kann, eine Investition in Bildung. Und sie kommen aus guten Verhältnissen. Ihre Eltern haben Häuser zu vererben und sie werden den Hauptteil der durchschnittlich jährlichen sich auf ca. 50 Mrd. belaufenden Erbschaften beziehen. Darunter befinden sich viele Immobilien und Häuser.

Es stimmt, sie haben jetzt nicht mehr die Möglichkeit, über die Eigenheimzulage den Häuser- und Wohnungskauf mit zehntausenden Euro subventioniert zu bekommen. Aber es gibt genug Hilfen: Ihre Steuerbelastung ist in jüngster Zeit sehr stark gesunken (von 53 auf 42 Prozent in der Einkommensteuer). Ab 2009 werden sie mit der Abgeltungssteuer nur noch 25 Prozent auf Zinserträge zahlen, anstatt jetzt den vollen Steuersatz. Und Immobilien bleiben auch in Zukunft beim Verkauf nach zehn Jahren von jeglicher Besteuerung ausgenommen. Dazu kommt: Es war in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie so leicht, Eigentumserwerb zu finanzieren. Die Zinsen sind seit Jahren auf niedrigem Niveau und sie werden niedrig bleiben. Sie sind eine effiziente makroökonomische Förderung, die den Gutverdienenden zugute kommt.

Müssen wir darüber hinaus noch mehr für Gut- und Sehr-Gut-Verdienende machen? Brauchen wir für sie in Form von Wohn-Riester eine neue Förderung, die es für diese Einkommensschicht bisher nicht gab? Sollen die bisherigen Einkommensgrenzen (70.000 Euro für die Eigenheimzulage und 25.600 Euro die Wohnungsbauprämie), wie von SPD und Union vorgesehen, wirklich wegfallen? Und müssen wir den Immobilienerwerb noch privilegieren über die Förderung normalen Sparens, indem wir, wie das im CDU-Modell vorgesehen ist, auf nachgelagerte Besteuerung verzichten und stattdessen nur die Zulage (aber nicht den Sonderausgabenabzug) kürzen? Wir meinen: Nein.

Die wohlhabenden Deutschen brauchen die Hilfe nicht und sie wollen sie auch nicht, wie die relativ geringen Wohneigentumsquoten auch dieser Einkommensschicht in Europa zeigen. Die Wohlverdienenden Deutschen sind smart. Sie wollen flexibel bleiben, vertrauen auf bezahlbare Mieten und ersparen sich deswegen den Kauf ihrer Wohnungen.

Zumal, wie eine neue Studie des ideologisch unverdächtigen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, Wohneigentum (wie Gewerbeimmobilieneigentum, vergleiche REITS-Diskussion) gesamtgesellschaftlich eher wachstumsfeindlich ist. Wohneigentum ziehe demnach die Sparquote nach unten, mache Arbeitnehmer weniger fähig wegen eines Jobs umzuziehen und verstopfe das Wohnungsangebot für Arbeitskräfte von außen.
Der Staat sollte das endlich akzeptieren.

B) Wohneigentum in der Altersvorsorge unterer und mittlerer Einkommen

In den Jahren 1994 bis 2004 hat die Armutsquote von 13,8 auf 17,3 Prozent zugelegt, wie aus dem jüngsten Jahresgutachten der fünf Wirtschaftsweisen hervorgeht. Der Anteil sozialversicherungspflichtiger Erwerbsarbeit ging in den letzten Jahren beständig zurück. Und selbst diese sichert kein ausreichendes Einkommen mehr. In 900.000 Fällen normaler sozialversicherungspflichtiger Arbeit muss die Bundesagentur für Arbeit jährlich ergänzende Hilfen aus Hartz IV beisteuern. 39 Prozent der Bevölkerung, so eine Studie der GFK (Gesellschaft für Konsumforschung) sparen überhaupt nicht mehr. Nur acht Prozent der Bevölkerung glauben demnach, in Zukunft wieder mehr sparen zu können. Wohnungseigentum bleibt für immer größere Anteile der Bevölkerung, wenn es nicht ererbt wurde, ein Fremdwort.

Ob man das langfristig ändern will oder nicht: Für die Altersvorsorgeförderung müssen wir den Fakt akzeptieren und unsere Schlüsse daraus ziehen. Für diese Gesellschaftsschichten ist die Alternative Mieten oder Kaufen nicht relevant. Für sie geht es um die angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen Einkommen. Daran wird die kapital gedeckte Altersvorsorge nur einen kleinen oder gar keinen Anteil leisten können. Diese Menschen bedürfen mehr denn je des Umlageverfahrens. Die Umlagefinanzierung erweist sich bei genauerem Hinsehen als effiziente und - wie zahlreiche Beispiele der Krisen privater Versorgung in anderen Ländern zeigen - relativ sichere Form für eine gerechte Teilhabe im Alter zu sorgen. An diesem Prinzip ist fest zuhalten. Um den bestehenden Finanzierungsproblemen und Versorgungsdefiziten zu begegnen, ist eine Ausweitung der Bemessungsgrundlage und eine steuerfinanzierte Mindestrente anzustreben.

Die Kapitalfinanzierung in der gesetzlichen Ausgestaltung der Riester-Rente wurde mit einer Kürzung der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung (Stichwort: Neudefinition des Nettoeinkommens der Rentenversicherung) erkauft. Nüchtern betrachtet, darauf hat das Sachverständigenratsmitglied Prof. Bofinger hingewiesen, leistet die Generation, der die - so oft gepriesenen geburtenstarken Jahrgänge zu verdanken sind - und die den Wiederaufbau bewerkstelligt hat, auch im Rentenalter einen Beitrag, damit ihre Kinder im Alter in den Genuss der Riester Rente gelangen. Eine unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit makabere Tatsache.

Mit einer Kapitaldeckung der Altersversorgung - so ist grundsätzlich zu betonen - werden die Einkommensrisiken der Erwerbsgesellschaft zusätzlich individualisiert. Solidarische Umverteilungseffekte erfolgen nur über eine nachträgliche Besteuerung.

Hinzu kommt, dass eine Kapitalmarktfinanzierung nicht - wie häufig behauptet - den Risiken des sog. Demografieproblems entgeht. Aus dem Tatbestand, dass, wie die Mackenroth-These zeigt, die Einkommen der Nicht-Erwerbstätigen immer nur aus dem Sozialprodukt der laufenden Periode gespeist werden können, ergibt sich zwingend, dass - wird vom Ausland abgesehen - ein Ansparen der gesamten Gesellschaft nicht möglich ist. Auch bei einem Kapitaldeckungsverfahren muss - ceteris paribus - ein Mehr von den weniger werdenden Erwerbstätigen für die zunehmende Anzahl der Rentner erwirtschaft werden. Auch unter Berücksichtigung des Auslands - darauf hat das DIW frühzeitig hingewiesen - bleiben erhebliche Risiken bestehen. Das Kapitaldeckungsverfahren löst also kein Demografie- sondern nur ein Verteilungsproblem und zwar zuungunsten der sozial Schwachen.

Wie bereits skizziert, bleibt bei allen Privatisierungen der sozialen Vorsorge die soziale Gerechtigkeit auf der Strecke. Dies ist auch bei den Wohn-Riestermodellen so. Die SPD schafft die private Eigenheimzulage ab und will nun Riesterentnahmen für Immobilien erlauben. Damit fällt eine gleich hohe Summe der Wohnungsbauförderung für alle weg. Beglückt wird das Publikum nun mit einer: Förderung, die um so höher ausfällt, je höher sich das Einkommen beläuft. Wer mehr Einkommen hat, bekommt vom Staat mehr Unterstützung. Das ist unsolidarisch.

Ähnlich verhält es sich bei der Wohnungsbauförderung, die als Kompensation gestrichen werden soll. Dort gibt es strenge Grenzen für das Einkommen: nur bis 25.600 Euro Jahreseinkommen wird gefördert.

Zu befürchten ist zudem, dass die Riesterverträge nicht die gering Verdienenden in - den sich ständig ausweitenden - ungeschützten Arbeitsverhältnissen erreichen, da sie sich diese Vorsorge schlichtweg nicht leisten können. Gleichzeitig führt sie bei höheren Einkommen zu Mitnahmeeffekten.

Es sollte darüber hinaus alles vermieden werden, was dazu führt, dass die Immobilienpreise steigen. REITS mit Wohnungseigentum - die noch längst nicht aus der Welt sind, wie der Bundesrat gezeigt hat - führen hier gänzlich in die falsche Richtung. Kommunen, die dem wachsenden Druck nachgeben und Wohneigentum an sich selbst so titulierende Höllenhunde (Zerberus) verkaufen, tun den Mietern und sich selbst damit keinen Gefallen.

Wir erachten generell die Förderung von Wohneigentum nicht als vorrangige Aufgabe des Staates. Ursache der niedrigen deutschen Wohneigentumsrate ist der soziale Wohnungsbau mit seinem hohen Qualitätsstandard, folgert das IW. Daran sollten wir festhalten. Wir brauchen effiziente Mittel, die die Förderung primär des Wohnens in den Mittelpunkt stellen. Die Form des Eigentums ist dabei die unabhängige Variable. Die Förderung sollte aus den genannten Gründen komplett von Riester getrennt werden. Dabei müssen die bisherigen Schwächen der Wohnungsbauförderung (Mitnahmeeffekte etc.) vermieden werden. Der Zug muss aus ökologischen, städtebaulichen und sozialplanerischen Gründen - wenn die Eigentumsfrage in den Mittelpunkt gestellt wird - in Richtung der Förderung von genossenschaftlichem Eigentum, d.h. die Förderung von Genossenschaftsanteilen gehen.