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Ein Kurswechsel in der Nahostpolitik ist nötig

Im Wortlaut von Wolfgang Gehrcke,

Linksfraktion im Bundestag und Rosa-Luxemburg-Stiftung luden zu internationaler Nahostkonferenz in Berlin. Wolfgang Gehrcke ist Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Er nahm u. a. als Moderator an der Nahostkonferenz vom Wochenende teil. Es gab einige Schwierigkeiten im Vorfeld der Konferenz. Gäste konnten nicht kommen, es wurde politischer Druck auf Teilnehmer ausgeübt.

Was ist geschehen?

Wir haben für den Sprecher der palästinensischen Regierung, der Hamas-Mitglied ist, und eine Abgeordnete aus dem palästinensischen Parlament, die der Volksfront zur Befreiung Palästinas angehört, keine Einreisegenehmigung erhalten. Andere von uns eingeladene palästinensische Gäste durften nicht aus Israel ausreisen. Außerdem haben die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel Gäste, die wir zur Konferenz eingeladen hatten, angerufen und massiv gedrängt, ihre Teilnahme abzusagen. Das ist ein außerordentlich unüblicher und ärgerlicher Vorgang. Der Rosa-Luxemburg-Stiftung wurde Projektförderung für die Konferenz verweigert. Und das mit der abenteuerlichen Begründung, daß wir den Hamas-Sprecher eingeladen hatten. Ich halte es für ein unmögliches Verfahren der Bundesregierung, so in die Selbständigkeit einer Stiftung einzugreifen.

Worin sehen Sie den Hauptertrag der Konferenz?

Wir müssen Druck auf die Bundesregierung und die Öffentlichkeit ausüben, damit es zu einem Kurswechsel in der Nahostpolitik kommt. Die Bundesregierung muß klarstellen, daß ein lebensfähiger palästinensischer Staat Voraussetzung für die Sicherheit Israels ist. Man muß die Sperrung der Gelder für die palästinensische Autonomiebehörde durch die Europäische Union sofort aufheben und den israelischen Kriegsabenteuern eine klare Absage erteilen. Wir hatten hier sehr verschiedene Vertreter der israelischen Friedensbewegung, von Gush Shalom und Peace Now bis zur Friedensbewegung der Frauen. Für uns ist es ein großer Schritt nach vorn, so intensiv mit der israelischen Friedensbewegung ins Gespräch gekommen zu sein. Wir haben ein Klima geschaffen, in dem die anwesenden Palästinenserinnen und Palästinenser ihre Forderungen formuliert haben und man aufeinander zugegangen ist.
Unter anderem kamen auf der Konferenz die Schwierigkeiten zur Sprache, die speziell die deutsche Linke mit dem Thema Nahost hat.

Wie geschlossen ist die Linkspartei?

Wir haben natürlich auch Kämpfe in der Partei. Aber wir haben im Bundestag mit einer Stimmenthaltung einen Entschließungsantrag hinbekommen, und ich gehe davon aus, daß das die Grundlinie der Fraktion ist: Daß neben Israel ein lebensfähiger, völkerrechtlich abgesicherter, palästinensischer Staat existiert - entsprechend den Grenzen von 1967, ohne Gewalt und ohne Androhung von Gewalt. Daneben streitet die Linke über einzelne Schritte, was sich jetzt an der Einladung des Hamas-Sprechers entzündet hat. Aber man sollte nicht Dialog, Verhandlungen und Gespräche mit politischer Solidarität verwechseln. Es geht allein darum, auszuloten, wie man den berechtigten Wünschen und Forderungen des palästinensischen Volkes Rechnung tragen kann.

Welches sind die größten Hindernisse, die einer Friedenslösung im Wege stehen, und welche Verantwortung kommt dabei Deutschland und der EU zu?

Eines der größten Hindernisse ist die imperiale Politik der USA. Man muß glauben, was deren Außenministerin Condoleezza Rice sagt. Sie will in der Tat einen neuen Nahen und Mittleren Osten nach den Wünschen der USA. Abträglich ist auch die Politik des Staates Israel, die auf Gewalt beruht und sich mit der Aufnahme Avigdor Liebermans in die israelische Regierung noch verschärfen wird. Das dritte Hindernis ist, daß Europa und Deutschland eine falsche Politik betreiben. Man gibt vor, mehr Sicherheit für Israel zu wollen - aber man beeinträchtigt sie, wenn man Olmert und Lieberman nicht widerspricht. Wir sind uns darüber einig, daß man für eine Zwei-Staaten-Lösung eintreten muß, wobei wir betonen, daß es ein lebensfähiger palästinensischer Staat sein muß. Was Olmert anbietet, ist nicht lebensfähig.

Interview: Sebastian Wessels