Zum Hauptinhalt springen

Ein »Ja« zu Blauhelm-Einsätzen?

Im Wortlaut von Paul Schäfer,

Bundestagssicherheitsexperte Paul Schäfer (Linkspartei) war in Sudan / Der Verteidigungs-Experte der Linksfraktion gehörte zu den schärfsten Kritikern des Überfalls auf Jugoslawien

ND: Sie kommen gerade aus Sudan zurück. Was wollten Sie dort?

Schäfer: Wir brauchen einen Meinungsbildungsprozess in der Linksfraktion, wie wir uns zu UNO-Blauhelmeinsätzen grundsätzlich, in Sudan und im aktuellen Darfur-Konflikt stellen. Wir haben mit Vertretern der Regierungspartei gesprochen, ebenso mit der SPLA, der führenden Kraft in Süd-Sudan, mit der sudanesischen Kommunistischen Partei, mit Vertretern der UN-Mission UNMIS, auch mit dem Organisationskomitee zur Koordinierung der humanitären Hilfe und mit Nichtregierungsorganisationen.

Welche Meinung konnten Sie sich bilden, was können Sie der Fraktion in Bezug auf einen deutschen Militärbeitrag empfehlen?

In Süd-Sudan gewannen wir den Eindruck dass UNMIS durchaus eine stabilisierende Funktion hat, was das Waffenstillstands- und Friedensabkommens betrifft, und dass da ein wichtiger Beitrag geleistet wird zur Entmilitarisierung, zur Entwaffnung von Milizen. Das muss natürlich bedacht werden bei künftigen Abstimmungen im Bundestag. In Darfur handelt es sich um einen schlimmen Bürgerkrieg, auch wenn man bestimmten Übertreibungen hierzulande entgegentreten muss, die darauf zielen, eine möglichst große Militärintervention zu ermöglichen. Aber es gibt keinen Grund, die Situation schönzureden. Es gibt einfach das Problem, dass die bestehende Mission der Afrikanischen Union, AMIS, von vielen der Betroffenen nicht als ausreichend betrachtet wird.

Wenn man UNMIS sagt, dann spricht man auch über deutsche Soldaten. Demnächst steht eine parlamentarische Verlängerung ihres Einsatzes an. Muss die Linksfraktion auch da ihr Abstimmungsverhalten überdenken?

Ja man sollte ... Wir brauchen einen längeren Diskussionsprozess. Das rate ich der Fraktion und Partei. Wir müssen auch darüber sprechen, dass Meinungen, die sagen, es handle sich um einen Kriegseinsatz oder um eine imperialistische Militärintervention, auf UNMIS nicht passen. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass es Blauhelmeinsätze gibt, die eine Frieden stiftende Funktion haben.

Und dabei sind deutsche Soldaten unentbehrlich?

Die Frage ist, ob man akzeptiert, dass es bescheidene Beiträge gibt. Beispielsweise im Logistikbereich oder im Falle UNMIS als Militärbeobachter.

Gysi hat vorgeschlagen, die »Sache Sudan« im »vereinfachten Verfahren« zu behandeln. Das heißt: keine Plenumsaussprache, sondern nur ein Nein fürs Protokoll. Sind Sie für ein solches Verfahren?

Ich kann damit leben - mit Blick darauf, dass wir die ausführlichere Diskussion brauchen. Ansonsten gilt für uns der Grundsatz, dass wir die brisanten Einsätze immer wieder ins Parlament bringen müssen. Das ist eine Geschäftsgrundlage für die »Linke«. Wir wollen nicht, dass Bundeswehreinsätze durchgewinkt werden.

Empfehlen Sie der Fraktion nun ein Ja oder ein Nein für die Sudan-Mandat-Verlängerung?

Ich kann jetzt erst mal mit einer Positionsenthaltung leben, und zwar aus einem Grund: Natürlich stimmen wir jetzt über eine bloße Verlängerung dieses UNMIS-Mandats ab. Aber jeder weiß, natürlich steht auch die UNO-Resolution 1706 zur Debatte, die offen lässt, ob es eine Darfur-Mission gibt - unabhängig davon, wie die Regierung in Khartum sich dazu stellt. Das wäre eine Form der Invasion. Deshalb sind äußerstes Misstrauen und Wachsamkeit angesagt. Da kommt Blauäugigkeit für mich nicht infrage.

Fragen: René Heilig

Neues Deutschland, 11. Oktober 2006