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Ein großartiger Tag für die Linke!

Nachricht von Lothar Bisky,

Einführende Worte von Lothar Bisky, Vorsitzender der Linkspartei.PDS, zur Konstituierung der Fraktion der Linkspartei.PDS im 16. Deutschen Bundestag

"Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist ein großartiger Tag für die Linke in der Bundesrepublik Deutschland! Wir konstituieren die Fraktion der Linken, die im 16. Deutschen Bundestag wirken wird. 54 Abgeordnete gehören der Fraktion an. Ich gratuliere allen Gewählten recht herzlich!

Die Linkspartei hat ihr Wahlziel glänzend erreicht: 8,7 Prozent der Wählerinnen und Wähler haben uns ihre Zweitstimme gegeben. Verglichen mit den Wahlen 2002 haben wir unser Ergebnis mehr als verdoppelt. Die Prozentzahl des Zuwachses an Mandaten habe ich noch nicht ausgerechnet. Drei Abgeordnete ziehen als Gewinnerinnen und Gewinner von Direktmandaten in den Bundestag ein.

Das sehr gute Ergebnis basiert auf einer vernünftigen politischen Kooperation. Deshalb will ich zuerst ein Wort an unsere Genossinnen und Genossen, Freundinnen und Freunde von der WASG richten. Oskar Lafontaine hatte das politische Gespür für den richtigen Zeitpunkt und er hatte die notwendige Entschlossenheit zum Handeln. Danke, Oskar! Mit Klaus Ernst und Thomas Händel, mit Sabine Lösing, Axel Troost und anderen führten wir harte, jedoch immer faire und vor allem immer ergebnisorientierte Verhandlungen. Gerade heute möchte ich noch einmal meinen Respekt aussprechen für euren mutigen Schritt, auf eine eigene Kandidatur verzichtet zu haben. Und ich sage Dankeschön für den Wahlkampf-Einsatz der WASG-Mitglieder zugunsten der Listen der Linkspartei! Es zählt zu meinen stärksten Eindrücken aus dem Wahlkampf, vielerorts Mitglieder, Sympathisantinnen und Sympathisanten von Linkspartei.PDS und WASG in gemeinsamer Aktion erlebt zu haben. So ist es kein Wunder, wenn uns viele Medien, aber auch viele Wählerinnen und Wähler praktisch bereits für vereinigt halten.

Ich möchte am Beginn unserer Beratung allen Wählerinnen und Wählern danken, die uns ihre Stimme gaben, die uns damit Vertrauen schenkten, die aber nun auch berechtigte Erwartungen an unser Handeln richten, an ein gemeinsames Handeln einer starken linken Fraktion im Bundestag. Diese Erwartungen dürfen wir nicht enttäuschen.

Ich möchte allen Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern danken: Den Mitgliedern, Sympathisantinnen und Sympathisanten der Linkspartei.PDS, die seit 2002 auch engagiert für den Wiedereinzug einer linken Fraktion in den Deutschen Bundestag gearbeitet haben. Den Mitgliedern, Freundinnen und Freunden der WASG. Ich bedanke mich bei unserem Wahlkampfleiter Bodo Ramelow, der den Wahlkampf mit Entschlossenheit und vielen Ideen, mit Ernsthaftigkeit und Humor geführt hat. Danke auch dir, lieber Gregor (Gysi), für einen mutigen Schritt nach einer schwierigen Lebensphase. Und ich möchte stellvertretend für viele Ehren- und Hauptamtliche in Kommunen, Kreisen und Ländern die engagierte Wahlkampfmannschaft im Berliner Karl-Liebknecht-Haus nennen - Claudia Gohde als Chefin des Wahlquartiers, besonders auch eine große Schar junger Praktikantinnen und Praktikanten. Dass gerade sie so stark unsere Wahlkampfführung prägten, sehe ich auch als ein Symbol für einen Aufbruch. Schließlich haben sich die Agenturen dig, Trialon und Mediaservice ein Wort des Dankes verdient, die in kürzester Zeit sehr professionell die Kampagne konzipierten und umsetzten.

Am 18. September haben die Wählerinnen und Wähler einer Politik des sozialen Kahlschlages eine Abfuhr erteilt, die mit der "Agenda 2010", mit "Hartz IV", mit Praxisgebühr und Minijobs verbunden ist und unter anderem zu über 5 Millionen Arbeitslosen in der Bundesrepublik führte. Und die Wählerinnen und Wähler haben der verschärften Variante einer solchen Politik, wie sie Union und FDP vertreten, eine Abfuhr erteilt. Ein solcher Kurs hat uns in Opposition gesehen, und er wird uns in Opposition sehen, so, wie wir es den Wählerinnen und Wählern versprochen haben.

Und: Zumindest was das bundesweite Ergebnis betrifft, haben NPD und andere Rechtsextremisten keine Chance gehabt. Das freut mich, wie es uns zugleich tief besorgen muss, das Rechtsextremisten in einzelnen Regionen zunehmend auf eine sich verfestigende Wählerschaft setzen können.

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Kolleginnen und Kollegen, Ich will abschließend auf drei Aufgaben kurz eingehen:

1. Unsere Fraktion hat mit dem Wahlprogramm einen klaren Arbeitsauftrag und sie hat ein Sofortprogramm vorliegen. Die Revision von Hartz IV, das Eintreten für Mindestlohn und für eine Vermögensteuer, die Forderung nach Beendigung des Afghanistan-Einsatzes - das können Punkte sein, womit wir erste klare politische Zeichen setzen. Darüber wird heute und auf der Klausur zu reden sein. Ich möchte hier auch darauf hinweisen, dass die Linkspartei.PDS langfristig für Ende Oktober eine gewerkschaftspolitische Konferenz einberufen und vorbereitet hat. Meine Bitte ist, dass sich dort auch die große Kompetenz niederschlägt, die gerade auf diesem Politikfeld in der WASG und in dieser Fraktion vorhanden ist.

2. Ich wiederhole: Eine vernünftige politische Kooperation hat uns den Erfolg beschert, und damit sollten wir auch in Zukunft vernünftig umgehen. Unser Erfolg ist nicht der Erfolg der Linkspartei.PDS und nicht der Erfolg der WASG, es ist unser gemeinsamer Erfolg. In der Gemeinsamkeit liegt unsere Chance, deshalb plädiere ich dafür, dass wir den Prozess der Fusion zügig voranbringen, mit eben jener Dynamik, die wir vielerorts an der Basis schon erleben. Ich will hoffen, dass die Basis den Vorständen nicht davonläuft! Um nicht missverstanden zu werden: Über den konkreten Zeitrahmen der Fusion müssen wir gemeinsam nachdenken und darüber verantwortungsbewusst entscheiden. Aber sofort muss erkennbar für diese Fusion gehandelt werden, sonst könnte uns das Leben überholen. Und da wir hier als Fraktion zusammen sind: Es wird auch für das politische Agieren dieser Fraktion von grundsätzlicher Bedeutung sein, dass sie sich in absehbarer Zeit auf eine sie tragende Partei stützen kann!

Unser Parteivorstand hat sich dafür ausgesprochen, am 10. und 11. Dezember 2005 in Dresden die nächste Tagung des Bundesparteitages durchzuführen. Das möchten wir auch als ein Signal dafür verstanden wissen, dass wir die Fusion wollen und zielstrebig in Angriff nehmen. Dazu sehe ich uns auch deshalb in der Pflicht, weil wir mit unserem Wahlergebnis grundlegende Veränderungen in der Parteienlandschaft hervorgerufen haben. Daraus ergeben sich für uns neue Möglichkeiten, die wir nutzen müssen. Erstmalig gibt es in der Bundesrepublik Deutschland links von der SPD eine politische Partei, die bundesweit Zustimmung bei Wählerinnen und Wählern findet, die dauerhaft und bundesweit politischen Einfluss ausüben kann, und die auch von vielen Menschen, die sie nicht wählen, zum akzeptierten Teil des politischen Spektrums gerechnet wird. Damit zieht zugleich hierzulande ein Stück europäischer Normalität ein. Die Linkspartei.PDS ist Mitglied der 2004 gegründeten "Partei der Europäischen Linken", die Ende Oktober in Athen ihren ersten Kongress abhält. Der Vorsitzende der Europäischen Linkspartei, Fausto Bertinotti, hat unseren Wahlkampf unterstützt, ich habe vor zwei Tagen unseren österreichischen Genossinnen und Genossen im Wahlkampf geholfen und werde morgen in Rom sprechen. Es gibt ein gewaltiges Interesse an der Entwicklung der Linken in Deutschland. Die Medien sind in Besorgnis erregender Weise an uns interessiert - meine Sorge bezieht sich auf das gesundheitliche Wohlergehen der Betroffenen! Von der Zusammenarbeit in Europa werden wir alle profitieren, sie wird uns helfen, an dem zu arbeiten, was wir uns im Wahlprogramm vorgenommen haben: "Wir wollen eine Europäische Union, die sozial und ökologisch nachhaltig wirtschaftet, sich gemeinsame Mindeststandards bei Löhnen, Steuern und Sozialleistungen gibt und konsequent zu einer nichtmilitärischen Vereinigung wird."

3. Auch dieses Mal gilt: Nach der Wahl ist vor den Wahlen! Ich bitte euch, in den nächsten Tagen den Wahlkampf in Dresden engagiert zu unterstützen, damit wir dem guten Gesamtergebnis der Linkspartei ein weiteres gutes Ergebnis hinzufügen. Katja Kipping wird in ihrem Wahlkreis alle Unterstützung erhalten, die sie verdient. 2006 stehen weitere Wahlen ins Haus, so bereits im März die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Hier sind die Bundesparteien und die Landesverbände von Linkspartei und WASG gefordert, politisch verantwortungsbewusst Lösungen zu finden, die ein Gegeneinander beider Parteien strikt ausschließen.

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben den Wahlkampf mit zwei Spitzenkandidaten geführt, die am Erfolg einen hohen persönlichen Anteil haben. Beide haben trotz eines unbeschreiblichen Trommelfeuers keinerlei Anlass gegeben, irgendwelche persönlichen Differenzen zur Freude der Medien auszutragen. Die Reaktionen auf die Reden von Oskar Lafontaine und Gregor Gysi auf dem Bundesparteitag der Linkspartei aber auch bei Kundgebungen überall im Bundesgebiet haben gezeigt, dass Oskar und Gregor große Unterstützung in beiden Parteien und bei vielen Sympathisantinnen und Sympathisanten haben. Im Auftrag des Parteivorstandes der Linkspartei.PDS möchte ich der Fraktion vorschlagen, Oskar Lafontaine und Gregor Gysi zu Vorsitzenden unserer Fraktion zu wählen. Danke."