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»Drohungen sind kontraproduktiv«

Im Wortlaut von Heike Hänsel,

Iraner kritisieren Doppelmoral im Atomstreit. Nutzung der Nukleartechnik Frage nationaler Souveränität. Gespräch mit Heike Hänsel

Heike Hänsel ist Abgeordnete des Deutschen Bundestages und für die Linksfraktion im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Die USA und Israel werden nicht müde, Kriegsdrohungen gegen Teheran auszusprechen. Sie waren zum Jahreswechsel im Iran. Wie ist angesichts der Drohungen die Stimmung in der Bevölkerung?

Ich war fünf Tage mit einer Delegation der Tübinger »Gesellschaft Kultur des Friedens« in Teheran und kann nur ein Stimmungsbild wiedergeben, keine repräsentative Bewertung. In den Gesprächen, die wir geführt haben, kam eine Ablehnung gegenüber den vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen zum Ausdruck, zumal die Preise im Land seitdem gestiegen sind. Die Nutzung der Atomenergie sehen viele als eine Frage der nationalen Souveränität, die nicht von außen zu entscheiden sei, schon gar nicht von den führenden Atommächten. Die Doppelmoral bezüglich Atomwaffen anderer Länder wurde genauso kritisiert wie die Androhung militärischer Aktionen. Angst vor einem unmittelbaren Angriff hat allerdings niemand geäußert. Generell fühlen sich viele Iraner durch die internationale Gemeinschaft und die eigene Regierung isoliert.

Sie haben sich mit Künstlern und Studierenden getroffen und an einer Frauenfriedenskonferenz teilgenommen. Außerdem sprachen Sie mit der iranischen Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi. Welchen Tenor hatten die dort geführten Gespräche

Unsere Intention war es, mit unabhängigen Gruppen der Zivilgesellschaft ins Gespräch zu kommen und Ideen auszutauschen, wie die Isolation des Landes durchbrochen werden kann, auch um eine militärische Eskala tion des Konflikts zu verhindern. Dabei ging es sowohl um Kulturaustausch aber auch die Zusammenarbeit in den Bereichen Frauenrechte, Umwelt und Wissenschaft. Shirin Ebadi hat eine »iranische Woche« vorgeschlagen, an der sich Künstlerinnen und Künstler sowie friedenspolitisch Aktive aus dem Iran und Deutschland beteiligen könnten. Wir wollen so eine Woche eventuell in Berlin und Tübingen/Stuttgart organisieren. Zudem planen wir eine Delegation im Sommer in den Iran, um den Austausch zu vertiefen.

Vielfach wird die iranische Bevölkerung als extremistisch und antisemitisch dargestellt. Können Sie das bestätigen?

Das ist natürlich Quatsch. Die iranische Regierung hat mit ihrer unsäglichen »Holocaust-Konferenz« dazu beigetragen, dieses Vorurteil zu verstärken. In der Bevölkerung war diese Veranstaltung eigentlich kein großes Thema, etliche Studierende schämten sich für diese »Horrorkonferenz«, wie sie es nannten. Dadurch sei ihr Land international blamiert worden. Sie wurde, so mein Eindruck, vor allem für das Ausland inszeniert als Provokation und als Schulterschluß mit anderen islamistischen Bewegungen.

Führen die militärischen Drohungen gegen den Iran nicht eher zu einer Stärkung des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad?

Das sehe ich auch so. Diese Drohungen sind völlig kontraproduktiv, und Ahmadinedschad kann damit von innenpolitischen Problemen ablenken. Immerhin gibt es eine enorm hohe Arbeitslosigkeit, die bei 40 bis 50 Prozent liegen soll, große Umweltprobleme und immer noch eine erschreckende Armut bei gleichzeitig unvorstellbarem Reichtum der iranischen Elite. Die iranischen Medien aber beschäftigen sich hauptsächlich mit der internationalen Politik wie Atomstreit und Irak.

Engagiert sich die Bundesregierung genug, um eine militärische Eskalation zu verhindern?

Ganz klar nein. Die Bundesregierung hat von Anfang an, zusammen mit Frankreich und Großbritannien, die Verhandlungen bezüglich des Atomstreits so geführt und solche »Angebote« entwickelt, daß die iranische Regierung darauf nicht eingehen konnte. Dieses Problem läßt sich aber nicht bilateral lösen, eine internationale Initiative ist überfällig, die alle Atomstaaten mit einschließt und einen konkreten, verbindlichen Zeitplan für die schrittweise Vernichtung aller Atomwaffen verabschiedet. Das sieht ja auch der Nichtverbreitungsvertrag vor, den die führenden Atommächte selbst ständig verletzen, da sie nicht abrüsten. Wir brauchen zudem einen Vertrag zur »Weiterverbreitung der regenerativen Energien«. Das wäre eine zeitgemäße Aufgabe für die Vereinten Nationen.

Ihr Fraktionschef Oskar Lafontaine hatte bereits im letzten Jahr angekündigt, Gespräche im Iran zu führen. Die Reise fand bis dato nicht statt. Ist sie an innerparteilichem Druck gescheitert?

Nein, das hing bisher vor allem mit organisatorischen Fragen im Iran selbst zusammen. Mehrmals wurde der Termin verschoben, so daß eine Planung nicht möglich war. Da ich keine offizielle, parlamentarische Reise gemacht habe, war das unkomplizierter.

junge Welt, 16. Januar 2007