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Differenzen sind doch gang und gäbe

Im Wortlaut von Oskar Lafontaine,

Oskar Lafontaine drängt auf Tempo

ND: Ist der Parteibildungsprozess nun in trockenen Tüchern?

Lafontaine: Nein, aber er ist vorangekommen. Ich sage immer wieder: Die neue Partei wird im neuen Jahr stehen, auch wenn es weitere Schwierigkeiten geben kann.

Parteiausschlüsse sind nicht vorgesehen. Zeichnen die drei Mitglieder des WASG-Vorstandes, die jetzt ihren Rücktritt erklärt haben, den Weg der Klärung vor?

Das sind die Mitglieder, die sich nicht durchsetzen konnten. Ob man da zurücktreten muss, entscheidet jeder für sich selbst. Da ich selbst schon einmal zurückgetreten bin, respektiere ich diese Entscheidung natürlich. Wichtig ist, dass der Parteitag beschlossen hat, keinen getrennten Berliner Wahlkampf der WASG zu unterstützen. Auch ich werde natürlich nicht daran denken, das zu tun, sondern für die Linkspartei werben, auf deren Liste es auch WASG-Mitglieder geben wird.

Sie sind Mitglied beider Parteien, der Linkspartei und der WASG, aber jeweils ohne Parteifunktion. Wann wollen Sie das ändern?

Ich hatte Jahrzehnte lang Funktionen, so dass mein Ehrgeiz sehr begrenzt ist. Ich bin als Vorsitzender der Fraktion der Linken im Bundestag vollauf beschäftigt.

Aber Ihr Name wurde bereits als möglicher Vorsitzender der künftigen Partei genannt.

In den Gesprächen kristallisiert sich die Einigung heraus, für die neue Partei zwei Vorsitzende zu wählen. Wenn es soweit ist, können Sie mich noch einmal fragen.

Sind Sie auch der Meinung, dass die Zeitplanung für die Parteineubildung unterboten werden sollte?

Ich war immer der Meinung, dass das viel zügiger gehen sollte, denn ich weiß, dass die Versuchung in dieser Situation sehr groß ist, sich sehr intensiv mit sich selbst zu beschäftigen. Deutschland braucht aber schnell eine handlungsfähige Linke. Vielleicht denkt der eine oder andere nach diesem Wochenende auch anders über das beschlossene Datum Juni 2007, und meint, dass es besser wäre, schneller voranzugehen.

Mit dem Risiko, weitere Beteiligte vor den Kopf zu stoßen?

Das ist eine politische Frage. Differenzen sind doch gang und gäbe in allen politischen Parteien. Wer deshalb seine Mehrheiten in einer kleinen Gruppe sucht, wählt den Weg in die Zersplitterung. Die Alternative heißt, in der Partei seine Auffassung wenigstens teilweise durchzusetzen.

Reicht die Zeit aus, ein neues Programm zu formulieren?

Das Programm ist weitgehend da. Ich habe einige neue Punkte vorgestellt, wie die Forderung nach dem Recht auf Generalstreik in Deutschland oder die Verstaatlichung der Stromnetze sowie die staatliche Regulierung der Energiepreise.

Auch Hans Modrow hat von programmatischen Bedingungen gesprochen und einen Austritt nicht ausgeschlossen.

Ich bin sicher, dass Hans Modrow weiter dabei sein wird, ich schätze sein Engagement in der programmatischen Arbeit. Im Übrigen: Parteineubildungen sind auch inhaltliche Klärungsprozesse. Da bin ich sehr dafür, dass sich etwa liberale Vorstellungen bei uns nicht durchsetzen, sondern bei der FDP.

Haben Sie so etwas wie eine »gute SPD« im Sinn, wenn Sie von der neuen Linken sprechen?

Wenn damit die Partei Willy Brandts gemeint ist, dann kann ich Ihnen als ehemaliger Vorsitzender dieser Partei sagen, dass sie für Frieden und soziale Gerechtigkeit stand. Eine solche Partei streben wir an, auch wenn wir uns nicht auf diese beiden Ziele reduzieren.

Fragen: Uwe Kalbe

Neues Deutschland, 2. Mai 2006