Zum Hauptinhalt springen

»Die Umverteilung von unten nach oben ist massiv«

Nachricht,


Maurizio Landini, FIOM-Vorsitzender, neben Sahra Wagenknecht im Fraktionssaal

Sinkende Löhne, steigende Arbeitslosigkeit und Umverteilung von unten nach oben – ruhig und sachlich beschrieb Maurizio Landini, Vorsitzender der italienischen Metallgewerkschaft FIOM, bei seinem Besuch der Fraktion am Dienstag die Folgen der Kürzungspolitik in Italien. Eine gute Stunde lang berichtete er den Abgeordneten über die wirtschaftliche Lage im fünften Jahr der Krise und die Positionen der FIOM.

Wie dramatisch die Situation in Italien ist, das in einer tiefen Rezession steckt, belegte Landini mit Zahlen: Die Arbeitslosigkeit betrage landesweit inzwischen elf Prozent, bei Jugendlichen sogar 40 Prozent. Im Süden Italiens kletterte die Jugendarbeitslosigkeit in Spitzen bis auf 50 Prozent.

Zugenommen habe die Zahl der Menschen, die in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind – inzwischen rund 3,5 Millionen. Auch ein Investitionsrückgang könne beobachtet werden: "Italien ist das Land in Europa, wo am wenigsten in Innovation und Forschung investiert wird", so Landini.

Die Kürzungspolitik hat sich als Gift im Kampf gegen die Rezession erwiesen. In den vergangenen 16 bis 20 Monaten habe die italienische Regierung radikale Sparmaßnahmen im Umfang von 100 Milliarden Euro durchgesetzt, die ihr von der EU aufgezwungen worden seien. So würden im öffentlichen Dienst Löhne und Gehälter für vier Jahre eingefroren und Renten nicht mehr an Inflationsraten angepasst. Das Renteneintrittsalter sei auf 67 beziehungsweise 70 Jahre angehoben worden. Die Liberalisierung des Arbeitsmarkts habe den Kündigungsschutz aufgeweicht, die Zahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse habe zugenommen.

"Die Umverteilung von unten nach oben ist massiv gewesen", sagte Landini. Er zitierte Zahlen aus einer Statistik der Zentralbank. Die Umverteilung vom Arbeitseinkommen hin zu Renditen und Profiten entspreche 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder 230 Milliarden Euro.

Zudem hat Italien eine Schuldenbremse in der Verfassung verankert. "Das war aus unserer Sicht ein großer Fehler", sagte Landini. "Das blockiert Investitionen der öffentlichen Hand."


Die neue große Koalition in Italien bewertete Landini negativ, habe sie doch versprochen, die von der EU geforderte Kürzungspolitik fortzusetzen. Er forderte ein sozial gerechtes Europa und bezeichnete den Kampf gegen Steuerhinterziehung als wichtige Voraussetzung dafür.

"Diese Krise ist gefährlich für das ganze Gefüge des Industriesystems", stellte er fest. Von den Arbeitgebern werde es als Vorwand benutzt, um beispielsweise den Flächentarifvertrag auszuhebeln. Als Gegengifte gegen Krise und Rezession nannte Landini private und öffentliche Investitionen, um die Industrie wiederzubeleben, Umverteilung und Arbeitszeitreduzierung. Die FIOM plädiere zudem für ein Grundeinkommen und eine Vermögensteuer.

linksfraktion.de, 5. Juni 2013