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Die Tür zu einem Waffenstillstand aufstoßen

Im Wortlaut von Jan van Aken,

LINKE-Politiker Jan van Aken zu den Aufgaben und Aussichten einer Syrien-Friedenskonferenz

Foto: Uwe Steinert

 

 

Jan van Aken ist für die LINKE Mitglied im auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages. Er besuchte vor Kurzem das kurdische Siedlungsgebiet im Nordwesten Syriens. Über seine Erwartungen an die geplante Friedenskonferenz sprach mit ihm Roland Etzel.


In Montreux soll am Mittwoch eine Syrien-Konferenz stattfinden. Seit Monaten wird darum gerungen, und trotzdem ist immer noch nicht sicher, ob sie stattfindet und mit welchen Teilnehmern. Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen dafür?

Jan van Aken: Wir haben im Bürgerkrieg immer das Problem, dass bei Verhandlungen die Seite, die gerade militärisch stark ist, verhandlungsbereit ist, und die Seite, die militärisch schwach ist, nicht verhandeln will. Zusätzlich muss man sehen, dass in Syrien nicht nur ein Bürgerkrieg, sondern auch ein Stellvertreterkrieg im Gange ist. Deshalb sollten die Länder, die sich in Syrien einmischen, mit am Tisch sitzen, also auch Saudi-Arabien und Iran. Iran ist jetzt eingeladen worden. Das macht Sinn, führt aber, wie zu sehen ist, zu neuen Verwerfungen.

Ist Saudi-Arabien eingeladen worden?

Ja, ebenso wie Iran, und beides macht Sinn, weil sie sich beide auf unterschiedlichen Seiten in den Krieg einmischen und wie andere Staaten dort ihr eigenes Süppchen kochen, inklusive Russland und den USA.

Apropos Russland und USA. Wie hoch schätzen Sie denn das Einvernehmen zwischen Russland und den USA ein und somit ihren Willen zum Druck auf andere Teilnehmer, diese Konferenz zu einem praktischen Ergebnis zu führen?

Da gibt es kein Einvernehmen, da gibt es egoistische Interessen auf beiden Seiten. Das Hauptinteresse von den USA wie von Russland ist nicht Frieden auf Erden oder Frieden in Syrien, sondern sie versuchen, ihre nationalen Interessen dort durchzusetzen, und diese sind sehr unterschiedlich. Es geht jetzt darum, ob sie auf dem Verhandlungsweg eine Lösung finden, mit der beide Seiten leben können.

Ist das erwartbar?

Ja, das egoistische Interesse von den USA und Russland ist nicht Krieg in Syrien, das sind andere Dinge. Deswegen besteht schon ein Interesse daran, dass das Schießen aufhört, aber eben zu jeweils ihren Konditionen. Das Gleiche gilt für Iran, für Saudi-Arabien, für die innersyrischen Bürgerkriegsparteien. Nur die wenigsten dort haben ein reines Kriegs- oder Tötungsinteresse. Insofern hätten alle kein Problem, einen Waffenstillstand zu vereinbaren – wenn dabei ihre eigenen Interessen berücksichtigt werden. Aber genau das ist das Problem.

Sie sind Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Hat sich der Ausschuss eine Meinung zur Konferenz gebildet? In welcher Form ist Deutschland in Montreux vertreten?

Der Ausschuss hat sich allein schon deswegen keine Meinung gebildet, weil der Ausschuss noch nicht getagt hat. Es gab eine konstituierende Sitzung – das war es. Seit dem Juni letzten Jahres gab es keine Sitzung des Ausschusses mehr, wo darüber hätte geredet werden können. Wie Deutschland vertreten ist, weiß ich nicht.

Die heftigsten Kämpfe finden derzeit in Syrien offenbar nicht zwischen den Rebellen und den Regierungstruppen statt, sondern zwischen den verschiedenen Fraktionen der Freischärler. Gibt es irgendeine Art von Einflussnahme Deutschlands oder anderer westlicher Länder darauf?

Nach dem, was ich im Norden Syriens letzte Woche gehört habe, ist es so, dass es die Freie Syrische Armee – also diejenigen Milizen, die Unterstützung aus dem Westen hatten – praktisch kaum noch gibt. Dort kämpfen jetzt in erster Linie Dschihadisten, also Al Qaida und diverse Ableger, zum Teil gegeneinander, zum Teil gegen Assad, und auch gegen die kurdische Region im Nordosten.

Das heißt: Die Fronten sind nicht immer klar. Manchmal ist dort anscheinend der Feind meines Feindes auch mein Feind. Es ist also sehr unübersichtlich. Einfluss auf die Dschihadisten hat vor allem Saudi-Arabien. Auch die Türkei soll die Dschihadisten unterstützt haben, Offensichtlich hat die Türkei diese Politik aber wohl geändert.

Wie schätzen Sie denn die oppositionellen Kräfte ein? Wer ist wirklich federführend und damit autorisiert, für die Regierungsgegner zu sprechen?

Das ist völlig unübersichtlich. Alles was wir hören, ist, dass die sogenannte Nationale Koalition in Istanbul praktisch kaum Rückhalt innerhalb Syriens hat.

In Berlin gab es 2012 eine Art stille Konferenz, die sich mit einer Art Strategie nach dem erwarteten Sturz von Präsident Baschar al-Assad beschäftigte. Davon hört man jetzt nichts mehr.

Ich glaube, das hat sich durch die Verschiebung des militärischen Kräfteverhältnisses erledigt. Assad ist militärisch stark, und die einzigen, die in dieser Hinsicht noch halbwegs erwähnenswert sind, sind eben die verschiedensten Dschihadistengruppen sowie die ethnische Minderheit der Kurden im Norden, die tatsächlich ihr Gebiet immer noch verteidigen, sowohl gegen die Regierungstruppen von Assad als auch gegen die Dschihadisten.

Einen Tag vor der Konferenz, so sie denn stattfindet, ist also Pessimismus angesagt.

Nein, ich bin Optimist, aber man darf da keine Illusionen haben. Es muss jetzt möglich sein, die Tür aufzustoßen für einen möglichst umfassenden Waffenstillstand.

 

neues deutschland, 21. Januar 2014