Oskar Lafontaine: Die anderen Parteien wollen den Mindestlohn nicht wirklich
Gegen Kürzungen von Löhnen, Renten und Sozialleistungen hat sich der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Oskar Lafontaine, ausgesprochen. Außerdem fordert er einen Mindestlohn für Beschäftigte, der diesen Namen wirklich verdiene. Unser Redakteur Arn Strohmeyer sprach mit dem Politiker.Sie haben am Freitag den SPDAufruf zum Mindestlohn als Antrag in den Bundestag eingebracht. Die Sache lief ins Leere, weil die Koalitionsparteien ihn an die Ausschüsse überwiesen haben. Wollte die Linkspartei mit diesem Schachzug einen schlagzeilenträchtigen Gag landen?
Oskar Lafontaine: Die anderen Parteien sollten Farbe bekennen, wie sie zum Mindestlohn stehen. Die Überweisung in die Ausschüsse macht deutlich, dass die anderen Parteien nicht wirklich für einen gesetzlichen Mindestlohn sind. Das gilt auch für die SPD, die zu feige ist, ihrer eigenen Kampagne zuzustimmen. Die Grünen hatten sieben Jahre Regierungszeit, um einen Mindestlohn einzuführen. Und die CDU führt hier in Bremen - ich habe ein Plakat gesehen - die Wählerinnen und Wähler in die Irre. Da ist von einem Mindesteinkommen von 7.50 Euro pro Stunde die Rede, doch im Bundestag sagt die CDU immer, dass es einen Mindestlohn mit ihr nicht geben werde. Das Wort Mindesteinkommen ist eine Täuschung. Die FDP denkt sowieso nicht daran.
Was wird am Ende bei der Debatte um Mindest- oder Kombilohn herauskommen?
Ich fürchte, ein ganz fauler Kompromiss, der auch Elemente des Kombilohns enthalten wird. Das läuft dann darauf hinaus, dass der Unternehmer sagt, wenn der Staat den Arbeitnehmern Zuschüsse gibt, kann ich den Lohn noch weiter absenken. Wir erwarten nichts Gutes.
Morgen ist der Tag der Arbeit, der 1. Mai. Die Arbeitnehmerschaft war selten so gespalten wie zur Zeit. Das Verhältnis zwischen SPD und Gewerkschaften gilt als äußerst angespannt. Hat nicht Ihre Partei auch noch dazu beigetragen, die Arbeitnehmerschaft weiter auseinander zu dividieren?
Die Arbeitnehmer haben Interessen und daran müssen sich Parteien und Gewerkschaften messen lassen. Die mit uns konkurrierenden Parteien SPD, CDU/CSU, Grüne und FDP sind alle für Kürzungen bei Löhnen, Renten und Sozialleistungen. Hier genau liegt der Konflikt. Das kann ein Gewerkschafter nicht mittragen. Also geht ein politisches Engagement für diese Parteien zu Lasten seiner Glaubwürdigkeit, und das hält er nicht aus.
Besteht bei Ihrer Partei aber nicht eine große Kluft zwischen Ankündigungen und Ausführung, also Worten und Taten? Als Opposition stimmen Sie mit den Positionen der Gewerkschaften überein. Das Beispiel Berlin, wo die Linke mitregiert, zeigt aber, dass das dann in der Regierungsverantwortung ganz anders aussieht.
Die Berliner Politik hat ja zu einer sehr kritischen Diskussion innerhalb der Linken geführt. Sie hat sich dann auch korrigiert. Die Linke in Berlin ist die einzige Kraft, die der Privatisierung jetzt Widerstand leistet - etwa bei der Sparkassenfrage. Die Linke kann auch nur Erfolg haben, wenn sie glaubwürdig ist.
Das wie Bremen auch hoch verschuldete Saarland hat jetzt einen Vorschlag gemacht, wie man das Schuldenproblem angehen kann. Die ärmeren Bundesländer sollen danach für einige Jahre aus dem Länderfinanzausgleich ausscheiden und dafür einen größeren Anteil der selbst erwirtschafteten Einkommens- und Körperschaftssteuer erhalten. Ist das ein Weg, den Schuldenberg abzutragen? Was halten Sie davon?
Wenig. Wenn finanzschwache Länder sich auf einen solchen Handel einlassen und aus dem Finanzausgleich aussteigen, dann begeben sie sich auf sehr dünnes Eis. Dieser Vorschlag ist nicht durchdacht. Der bessere Weg wäre es, die Einnahmen des Staates zu verbessern. Hätten wir eine ähnliche Einnahmestruktur wie die anderen europäischen Staaten, dann wären auch die Probleme des Saarlandes und Bremens geringer.
Wie würden Sie denn das Schuldenproblem im Bund und in den Ländern angehen? Mit Steuererhöhungen?
Deutschland kann nicht mit einer Steuer- und Abgabenquote auskommen, die sechs Punkte unter dem europäischen Durchschnitt liegt. Wir denken aber nicht an eine Mehrbelastung der Bürgerinnen und Bürger, der Arbeitnehmer und Rentner, sondern wir meinen, dass die Besitzer großer Vermögen und die Unternehmer, die große Gewinne machen, sowie die Bezieher sehr hoher Einkommen sich in gerechter Weise an der Finanzierung der Staatsaufgaben beteiligen sollen. Die Bundesregierung aber will den Konzernen mit der Unternehmenssteuerreform die Milliarden schenken, die sie vorher den Menschen mit der höheren Mehrwertsteuer aus der Tasche gezogen hat.
Die Parteiführung der Linken in Berlin war mit den beiden Spitzenkandidaten, die die Basis hier zur Bürgerschaftswahl in Bremen gewählt hat, nicht zufrieden. Es soll erhebliche Spannungen gegeben haben. Besonders dem einen Kandidaten wurde Mangel an Professionalität vorgeworfen. Können Sie inzwischen mit der Entscheidung der Bremer Basis leben?
Die Linke in Bremen macht einen hervorragenden Wahlkampf. Wir haben vorher diskutiert, ob wir eine Frau oder einen Prominenten an die Spitze stellen sollten. Wir sind jetzt aber mit Peter Erlanson gut aufgestellt, weil er als gewählter Personalrat einer Klinik gerade in einem Bereich arbeitet, der wichtig ist und im Zentrum des Wahlkampfes der Linken steht. Wir wollen nicht, dass öffentliche Einrichtungen - also auch Krankenhäuser - an Private veräußert werden, weil alles dann noch viel schlechter wird - siehe Telekom.
Eine hypothetische Frage. Angenommen die Linke kommt in die Bürgerschaft und die SPD würde Ihrer Partei ein Koalitionsangebot machen, würden Sie darauf eingehen?
Das würden unsere Freunde hier vor Ort entscheiden. Meine Haltung dazu ist ganz klar: Das entscheidet sich immer über die Sache. Für Kürzungen bei Löhnen und Sozialleistungen oder für Privatisierungen werden wir nicht die Hand reichen.
Weserkurier, 30. April 2007