Zum Hauptinhalt springen

Die Opposition braucht Rechtssicherheit

Im Wortlaut von Petra Sitte,

 

Von Petra Sitte, 1. Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Heute biegen die Verhandlungen um die Minderheitsrechte in die Zielkurve ein. Das Grundproblem: Nach der Bildung der Großen Koalition bestand die Opposition aus den beiden kleinen Fraktionen – der LINKEN und Bündnis 90/DIE GRÜNEN. Diese haben zusammen 127 Abgeordnete, etwa 20 Prozent der Sitze. Damit erfüllt sie nicht die Quoren, die im Grundgesetz, in weiteren Gesetzen und in der Geschäftsordnung des Bundestages für die Ausübung der Minderheitsrechte vorgesehen sind.

Die Koalition will nun die Minderheitsrechte ausschließlich durch eine Ergänzung der Geschäftsordnung regeln - durch die Einfügung eines  Paragraphen 126a. Darin soll festgelegt werden, dass auf Antrag von 120 Abgeordneten:

  • Untersuchungsausschüsse eingesetzt werden;
  • eine Sondersitzung des Bundestages einberufen;
  • Subsidiaritätsklage vor dem Europäischen Gerichtshof eingereicht wird;
  • die Bundesregierung wegen Nichtbeachtung einer Stellungnahme des Bundestags zur Angelegenheiten der Europäischen Union zur Stellungnahme aufgefordert wird.

In Untersuchungsausschüssen soll die Mitgliederzahl so bestimmt werden, dass nach den entsprechenden Zählverfahren den Oppositionsfraktionen im Untersuchungsausschuss ein Viertel der Sitze zustehen und die Minderheitsrechte laut Untersuchungsausschussgesetz wahrnehmen können. Dies ist bei 8 und 16 Mitgliedern der Fall.
Wird der Verteidigungsausschuss zum Untersuchungsausschuss (Art. 45a Abs. 2 GG), sollen die Mitglieder der Oppositionsfraktionen die Minderheitsrechte wahrnehmen können, auch wenn sie nicht ein Viertel der Ausschussmitglieder stellen.
Die Redezeiten sollen nicht mehr in der Geschäftsordnung geregelt werden, sondern wie in früheren Wahlperioden üblich im Ältestenrat vereinbart werden.
Die getroffenen Regelungen für die 18. WP sollen nicht durch Zwei-Drittel-Mehrheit außer Kraft gesetzt werden können, wie dies prinzipiell §126 GO-BT für den Einzelfall ermöglicht.

Trotz Zugeständnissen keine ausreichende Rechtssicherheit

DIE LINKE im Bundestag und die Fraktion Bündnis 90/Die GRÜNEN haben gemeinsam bereits im Dezember zwei eigene Initiativen zu den Minderheitenrechten eingebracht (BT-Drucksachen 18/379 und 18/380). Diese bestehen in einer Änderung der Geschäftsordnung (GO-BT) sowie in einem Artikelgesetzentwurf zur Änderung der einschlägigen Gesetze. DIE LINKE hält an diesen Initiativen fest, da der Koalitionsantrag auch nach den letzten Zugeständnissen aus unserer Sicht keine ausreichende Rechtssicherheit bietet.

Insbesondere die Regelungen zu Untersuchungsausschüssen und zum Verteidigungsausschuss betreffen nicht nur die Mitglieder des Bundestages selbst, sondern auch Dritte. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn es um Zeugenbefragungen oder Vorlage von Akten geht. Mindestens für diesen Bereich hält DIE LINKE eine gesetzliche Regelung für zwingend, da die Geschäftsordnung rechtshierarchisch unter den einschlägigen Gesetzen angesiedelt ist. Besonders heikel wird das beim Verteidigungsausschuss. Diesem hat das Grundgesetz nach Artikel 45a auch die Rechte eines Untersuchungsausschusses eingeräumt. Über das Minderheitsrecht von einem Viertel der Mitglieder des Verteidigungsausschusses muss eine Angelegenheit zum Gegenstand der Untersuchung gemacht werden. Dieses Viertel der Mitglieder hat laut  Gesetz auch alle Verfahrensrechte, die für den Fortgang der Untersuchung benötigt werden. Wir Oppositionsfraktionen stellen aber nicht ein Viertel, sondern nur 6 der 32 Mitglieder.

Im Geschäftsordnungsantrag der Koalition steht nun, dass uns die Ausübung der Minderheitsrechte trotzdem ermöglicht werden soll. Wie stellen sie sich das für den Verteidigungsausschuss konkret vor? Dass immer zwei Koalitionsabgeordnete gezwungen werden, mit uns mitzustimmen, um das gesetzlich notwendige Viertel voll zu machen? Wenn sich da niemand zwingen lässt, ist unser Oppositionsrecht hinfällig.

Die Möglichkeit der Überprüfung von Gesetzen auf ihre Verfassungsmäßigkeit, der so genannten Normenkontrollklage, die laut Grundgesetz ein Viertel der Mitglieder des Bundestages beantragen können, wird von der Koalition nicht den veränderten Mehrheitsverhältnissen angepasst. Die Anhörung der Sachverständigen im Geschäftsordnungsausschuss hat jedoch in der Tendenz ergeben, dass eine Erweiterung dieses Rechtes nur durch Änderung des Grundgesetzes, also weder auf dem Wege des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes rechtssicher geregelt werden kann. Daher hat DIE LINKE einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes vorgelegt, der den Oppositionsfraktionen das Recht auf Beantragung einer entsprechenden Klage einräumt.

linksfraktion.de, 3. April 2014