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»Die NATO von innen her auflösen«

Im Wortlaut von Paul Schäfer,

Ein Diskussionspapier zur Militärpolitik sorgt für Diskussionen in der Bundestags­fraktion der Partei Die Linke. Ein Gespräch mit Paul Schäfer.

Die Linksfraktion hat vergangene Woche ein Papier zur NATO und zu Militäreinsätzen verabschiedet. Sie und andere Abgeordnete hatten es ursprünglich als Positionspapier eingebracht - es wurde dann aber zum Diskussionspapier herabgestuft. Warum?

Es gab in der Fraktion einige Bedenken. Um dem Rechnung zu tragen, wurde es dann als Diskussionspapier bezeichnet. Es ist ja auch ein Gesprächsangebot an die Partei und darüber hinaus an die Friedensbewegung.

Die Antikapitalistische Linke kritisiert, daß das Papier nicht den Austritt aus der NATO fordert. Warum eigentlich nicht?

Wir sind radikaler - wir wollen die NATO auflösen und durch kooperative Sicherheitsstrukturen im Rahmen einer erneuerten OSZE ersetzen. Wir schlagen also vor, daß die Bundesregierung zunächst dafür sorgt, daß es keine Militärinterventionen des Bündnisses mehr gibt. Außerdem müßte sich die NATO für die atomare Abrüstung einsetzen. Auf diesem Wege wird man den Pakt schneller los, als wenn man einfach tschüß sagt.

In der NATO gibt es zur Zeit ohnehin schon einen Riß - wenn jetzt das zweitwichtigste Mitglied nach den USA austritt, wäre das doch das Ende des Pakts ...

Das bestreite ich ganz entschieden. Ist etwa die NATO ins Straucheln geraten, als Frankreich aus der Militärintegration ausschied? Die NATO ist dadurch nicht einmal schwächer geworden! Ich halte es jedenfalls für einen Kinderglauben, daß alle anderen folgen, wenn Deutschland austritt. Es ist vielmehr wichtig, eine Strategie zu entwickeln, die das Ziel hat, dieses Militärbündnis von innen her aufzulösen.

In Anlehnung an einen Beschluß des Münsteraner Parteitages der PDS lehnt die Linkspartei in ihren Eckpunkten eindeutig UN-mandatierte Kriegseinsätze ab. Warum weichen Sie in Ihrem Papier von diesen Festlegungen ab?

Das tun wir doch gar nicht! Nicht einen Millimeter! Das ist ein fundamentales Mißverständnis einiger Fraktionskollegen. Wenn wir sagen, daß die UN laut Völkerrecht das Gewaltmonopol haben, heißt das doch nicht, daß wir die konkreten Militäreinsätze billigen, die heute unter UN-Mandat stattfinden.

Das sind die Dreh- und Angelpunkte unserer Argumentation: Erstens sagen wir, daß niemand anders das Gewaltmonopol haben darf. Und zweitens betonen wir, daß die UN für die Friedenssicherung zuständig sind. Die Konflikte dieser Welt sollen ausschließlich mit friedlichen Mitteln gelöst werden.

Hätten Sie nicht irritierende Debatten in der Fraktion vermieden, wenn Sie gleich geschrieben hätten, daß Sie gegen alle Art von Kriegs­einsätzen sind? Auch wenn sie von den UN verantwortet werden.

Dagegen sind wir ja. Es steht in unserem Papier kein Wort darüber, daß man dem Gedanken auch nur nähertreten sollte, »robuste« Militäreinsätze der UN zu befürworten. Es bleibt bei dem, was auf dem Parteitag in Cottbus beschlossen wurde.

In Ihrem Papier fordern Sie den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Warum nicht auch aus dem Kosovo oder von der libanesischen Küste?

Wir haben all diesen Einsätzen eine Absage erteilt, dabei bleibt es. Afghanistan steht gegenwärtig im Zentrum der Politik, auch im Zentrum der Bemühungen der Friedensbewegung, dort dem Krieg ein Ende zu bereiten. Insofern ist es konsequent, Afghanistan hervorzuheben. Man sollte daraus nicht schließen, daß wir nicht auch gegen die anderen Bundeswehreinsätze sind.

Im April feiert die NATO mit einem Gipfeltreffen in Strasbourg und Kehl ihr 60jähriges Bestehen. Was planen Fraktion und Partei an öffentlichen Aktionen dagegen?

Wir unterstützen, was die Friedensbewegung plant und vorbereitet. Das reicht ja von Demonstrationen über Sitzblockaden bis zu einem »Gegengipfel«, in den wir uns aktiv und intensiv einbringen werden.

Gibt es eigene Initiativen?

Wir werden sicherlich rasch über parlamentarische Initiativen nachdenken. Vor allem die Partei ist jetzt gefordert, aktiv zu werden - in diesem Zusammenhang halte ich unser Papier für die Entwicklung einer klaren Anti-NATO-Position in der Öffentlichkeit für wichtig.

Interview: Peter Wolter

junge Welt, 20. November 2008