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Die Kommunalisierung von E.ON Thüringen

Im Wortlaut von Ralph Lenkert,

Von Ralph Lenkert, Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE aus Thüringen (Direktmandat Wahlkreis 194)

 



Die Bundestagsfraktion DIE LINKE. fordert seit Jahren, dass die Energieversorgung als Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge vergesellschaftet wird. Im Plan B der Linksfraktion zum sozialen, ökologischen und demokratischen Umbau wird der Energiesektor als ein Kernbereich definiert. Dort stellen wir fest, dass die Transformation von "unten" aus der Gesellschaft kommen muss. In Thüringen besteht die Chance, die E.ON Thüringer Energie AG zukünftig komplett in kommunale Hand zu übernehmen.

Anfang Januar wurde in Frankfurt/M. der Kaufvertrag unterzeichnet. Diesen Kaufvertrag hat das Landesverwaltungsamt am 19. Februar 2013 genehmigt, ebenso wie die erforderlichen Kreditaufnahmen für den Kaufpreis von 546 Millionen Euro und die Übernahme der 400 Millionen Euro offener Kredite.

Mehr als 400 Städte und Gemeinden beteiligen sich

Mehr als 400 Städte und Gemeinden in Thüringen beteiligen sich an der Kommunalisierung von E.ON Thüringen. Einige haben, wie zum Beispiel Gera und Ilmenau, Bedenken.

Die Übernahme verzögert sich eventuell durch anhängige Klagen aus drei Kommunen gegen die Verpflichtung, ihre bisherigen Anteile nur an andere Kommunen veräußern zu dürfen.

Warum E.ON seine Beteiligung verkaufen will, ist eine Grundlage der Bewertung des Kaufes:

 

  1. Der jährliche Gewinn von bis zu 100 Millionen Euro ist den E.ON-Aktionären zu wenig. Statt der mindestens geforderten 10 Prozent liegt die Gewinnrate "nur" zwischen 6 und 8 Prozent.
  2. E.ON hat den Streit mit den Thüringer Kommunen, die heute bereits 47 Prozent an E.ON Thüringen besitzen, satt. Durch das Vetorecht der Thüringer Kommunen konnte E.ON keine "radikalen" Strukturveränderungen durchsetzen.  
  3. Der E.ON-Konzern will in anderen Staaten expandieren und braucht dazu Eigenkapital bzw. eine geringere aktuelle Verschuldung. Zudem gibt es auch noch Bedenken der Kartellbehörden.
  4. Die bisherigen "Altschulden" von E.ON Thüringen sind in Höhe von 400 Millionen Euro bei der E.ON-eigenen Pensionskasse zu 6,5 Prozent Zinsen aufgenommen. Als Kommunaldarlehen sind nur 2 Prozent Zinsen zu zahlen.


Allerdings ist der Zustand der zu übernehmenden technischen Anlagen unklar. Ähnlich wie  die Deutsche Bahn AG die Wartung der Berliner S-Bahn vernachlässigte, könnte E.ON die Stromnetze auf Verschleiß bewirtschaftet haben.

Auch deshalb wurde das Kaufpreisgutachten angezweifelt. Zumindest diese Zweifel haben sich zwischenzeitlich verringert, da ein zweites Gutachten im Auftrag des Landes den ausgehandelten Kaufpreis von rund 550 Millionen Euro zzgl. der Übernahme von "Altkrediten" in Höhe von rund 400 Millionen Euro als angemessen bestätigte.

Überschaubare Risiken

Finanzielle Risiken für die Kommunen entstehen, wenn E.ON Thüringen nicht ausreichend Gewinn erwirtschaftet und große, unvorhergesehenen Investitionen notwendig werden, deren Refinanzierung über die Energieentgelte nicht vollständig abgesichert ist. Dann käme es zu Energiepreiserhöhungen, die den Kommunen angelastet werden könnten.

Bei einer Betrachtung der aktuellen betriebswirtschaftlichen Zahlen von E.ON Thüringen kann man die finanziellen Risiken für die Kommunen als überschaubar einstufen.

Bei einem Jahresumsatz von rund 1,3 Milliarden Euro erwirtschaftet E.ON Thüringen bis zu 100 Millionen Euro Gewinn.

Die jährliche Belastung für Zins und Tilgung der 950 Millionen Kredite liegt bei einem Finanzierungszeitraum von 20 Jahren zwischen 60 und 70 Millionen Euro. Rund 85 Prozent des Umsatzes macht das gesicherte Geschäft der Netzsparte aus, für die E.ON Thüringen noch für fast 20 Jahre Konzessionsverträge hat.

Der an die Kommunen ausgeschüttete Gewinn reduziert sich für 20 Jahre von ca. 47 Millionen auf 30 Millionen Euro. Sollte der Gewinn von E.ON Thüringen "einbrechen", was bei 85 Prozent Erlösen aus Leitungsrechten unwahrscheinlich ist, verlören die Kommunen zuerst die jährliche Ausschüttung und wenn dies zum Verlustausgleich nicht reicht, müssten sie die Verluste ausgleichen. Aber schon heute haften sie mit 47 Prozent für Verluste.

So können Kommunen den Ausbau erneuerbarer Energien steuern

Die Kommunalisierung von E.ON Thüringen bietet die Chance zur Schaffung eines thüringenweiten einheitlichen Energienetzes in gesellschaftlicher Hand. So können Kommunen den Ausbau erneuerbarer Energien steuern und da E.ON Thüringen in vielen Thüringer Stadtwerken Mitgesellschafter ist, steigt auch dort der kommunale Einfluss. Nach Tilgung der Kredite stehen die Gewinne von E.ON Thüringen den Kommunen zur Verfügung.

Nicht uninteressant ist außerdem, dass ein vollständig kommunalisierter Energieversorger in Thüringen entsteht, der die Macht der großen Vier E.ON, Vattenfall, EnBW und RWE verringert. Insgesamt ist die Übernahme der E.ON Thüringer Energie AG durch die Kommunen zu begrüßen, wobei ich mir einen niedrigeren Kaufpreis gewünscht hätte.

linksfraktion.de, 19. Februar 2013