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Bundeskanzler Willy Brandt kniet am 7. Dezember 1970 vor dem Mahnmal im einstigen jüdischen Ghetto in Warschau © dpaFoto: dpa

»Die größte Geste eines deutschen Politikers überhaupt«

Nachricht von Jan Korte,

Heute vor 50 Jahren, am 21. Oktober 1969, wurde Willy Brandt zum Bundeskanzler gewählt.

 

Von Jan Korte

 

Nach den erzkonservativen Adenauer, Erhard und Kiesinger kam so das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ein Antifaschist, Emigrant und Angehöriger des Widerstands gegen das NS-Regime ins höchste Staatsamt. Dies war ein wichtiger Bruch mit den bis dahin bestehenden personellen Kontinuitäten und NS-Verstrickungen der Bundesrepublik. Nach Konrad Adenauers "Keine Experimente" und einer bleiernen antikommunistischen Phase kam nun endlich Willy Brandts "Mehr Demokratie wagen": Endlich Reformen in der Sozial-, Bildungs- und Rechtspolitik, u.a. für mehr Chancengleichheit im Bildungswesen.

Zum Symbol eines besseren Deutschland wurde er endgültig mit seinem Kniefall vor dem Ghettomahnmal in Warschau, für mich die größte Geste eines deutschen Politikers überhaupt. Erst seine neue Ostpolitik sorgte für Entspannung im Kalten Krieg. Die heutige Bundesregierung könnte von seiner Politik eines "Wandel durch Annäherung" einiges lernen. Leider herrscht dort und im sozialdemokratisch geführten Auswärtigen Amt seit langem

Geschichtsvergessenheit.
Unvergessen in diesem Zusammenhang auch die elenden revanchistischen Angriffe der konservativen bis neofaschistischen Kräfte. Union und Springer-Presse bezeichneten ihn unisono als Vaterlandsverräter, Adenauer sprach von ihm als "Brandt alias Frahm" und die NPD forderte gleich "Brandt an die Wand". Von einer (posthumen) Entschuldigung der Union für diese Hetze bis heute keine Spur.

Allerdings steht Brandt nicht nur für fortschrittliche Politik: Noch als Vizekanzler und Außenminister in der Großen Koalition unter Altnazi Kiesinger beschaffte er die notwendige Zweidrittelmehrheit zur Grundgesetzänderung für die antidemokratischen Notstandsgesetze. In seiner eigenen sozialliberalen Regierungszeit folgte dann 1972 der "Radikalenerlass" und mit diesem Berufsverbote gegen Zehntausende Linke. Immerhin bezeichnete er dies später selbst als schweren Fehler.