Zum Hauptinhalt springen

Die Bevölkerung als Souverän

Im Wortlaut von Halina Wawzyniak,

Halina Wawzyniak über die halbdirekte Demokratie der Schweiz





Die Schweizer Bürgerinnen und Bürger haben kürzlich mit einer Volksabstimmung dafür gesorgt, dass die Exzesse der Manager bei Gehältern und Boni beschränkt werden können. Wäre das auch in Deutschland denkbar?

Die Schweizer Bürgerinnen und Bürger haben in der Volksabstimmung entschieden, dass die Aufsichtsräte jährlich die Gehälter von Managern und Boni entscheiden. Eine solche Abstimmung wäre in Deutschland derzeit nicht möglich, weil es immer noch keine Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide in Deutschland gibt. Damit dies anders wird hat DIE LINKE in dieser Legislaturperiode den Gesetzentwurf zur Einführung der dreistufigen Volksgesetzgebung (Drs. 17/1199) eingebracht, der aber im Bundestag keine Mehrheit fand.

Wie unterscheiden sich Schweizer Verfahren direkter Demokratie von denen in Deutschland?

Die Schweizer Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeiten direkter Demokratie auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene. In Deutschland gibt es die Möglichkeit direktdemokratischer Einflussnahme auf Bundesebene nicht. Im Regelfall sind in Deutschland auf der Länder- und Gemeindeebene Mindestbeteiligungsquoren vorgesehen, in der Schweiz nicht. Insbesondere gibt es in der Schweiz auch nicht den sogenannten Haushaltsvorbehalt, das heißt Ausschluss der direktdemokratischen Einflussnahme, sobald es um das Geld geht.

Wie bindend sind Volksabstimmungen in der Schweiz?

Die Entscheidungen sind bindend, was aber an der Ausgestaltung der direkten Demokratie in der Schweiz liegt. Jedes Gesetz kann Gegenstand eines Referendums sein, ebenso Verfassungsänderungen.

Warum konnten sich Verfahren direkter Demokratie in der Schweiz als selbstverständlicher Teil der Demokratie entwickeln, während in Deutschland die repräsentative Demokratie hochgehalten wird?

Die Schweiz hat ein anderes Verständnis des Verhältnisses von Bürger und Staat. Dort ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Bevölkerung der Souverän ist. In Deutschland herrscht ein Staatsverständnis vor, nach welchem der/die Parlamentarier über der Bevölkerung stehen.

Was sind die Vorteile des schweizerischen Modells?

Das Schweizer Modell legt die klare Verantwortlichkeit für Entscheidungen in die Hände der Bevölkerung. Dies führt dazu, dass auch die Verantwortlichkeiten klar benannt sind. Außerdem führt dieses Modell dazu, dass der aus Deutschland bekannte Gegensatz zwischen Opposition und Regierung im Parlament so nicht besteht, also tatsächlich im Parlament um Mehrheiten gerungen wird und nicht die Mehrheitsfraktion lediglich zum Gehilfen der Regierung degradiert wird.

Was spricht dagegen?

Es spricht eigentlich nichts gegen das Schweizer Modell. Allerdings müssten zur Wahrung der Chancengleichheit auch in direktdemokratischen Prozessen klare Regelungen aufgestellt werden, wie eine Finanzierung von direktdemokratischen Kampagnen erfolgt und was diesbezüglich nicht erlaubt ist. Andernfalls droht die Gefahr, dass finanzstarke Lobbygruppen so ihre Interessen durchsetzen.

linksfraktion.de, 16. April 2013